Montag, 24. Dezember 2012

24 - to be continued...?!

Lars und Lotte wünschen frohe Weihnachten und liefern die 24 noch nach, sie sind gerade etwas im Weihnachtsstress... ;-)

Ob es das große Finale wird oder nach den Weihnachtsferien weitergeht, liegt in Eurer Hand - sie werden sich dem Ergebnis der Abstimmung beugen, ich verlängere sie nochmal ein paar Tage und wir schauen dann bei der Rückkehr, was der Wunsch der Mehrheit ist!

Frohes Fest!!!

 

Sonntag, 23. Dezember 2012

23



Sonntag, 23. Dezember

Susanne hatte sie gestern davon überzeugen können, dass es taktisch am klügsten wäre, erst einmal weiterhin gute Miene zum bösen Spiel zu machen und die Ruhe zu bewahren. Sie kannte nun ihre Konkurrenz und die Erklärung für wahrscheinlich so einige Probleme zwischen ihr und Lars in letzter Zeit. Statt ihn zur Rede zu stellen und sich fadenscheinige Erklärungen anzuhören, würde sie sich ihren Wissensvorsprung zunutze machen. Wer seinen Feind kennt, kann etwas gegen ihn tun, so hatte Susanne es formuliert und sie hatte Recht. Ute war nicht bereit, sich einfach so geschlagen zu geben und Lars kampflos einer anderen Frau zu überlassen, schon gar nicht dieser Charlotte Holzheim. Sie hätte ihm wahrlich einen besseren Geschmack zugetraut. Aber nun musste sie das Beste daraus machen und ihr Wissen nutzen. Es würde ihr zwar schwerfallen, gerade jetzt über Weihnachten, so zu tun, als ob nichts wäre, aber Susanne hatte sie gestern so lange geimpft, dass sie sich sicher war, sie konnte es schaffen. Überhaupt fühlte sie einen Kampfgeist in sich wie noch nie zuvor.
Sie würde herausfinden, was ihm fehlte, was er bei ihr suchte und es ihm dann geben, so dass er nur noch sie wollte und nie wieder eine andere. Bestimmt war es nur ein Abenteuer, sie konnte sich nicht vorstellen, dass Lars sich mit so einer Person etwas Langfristiges vorstellen konnte, dafür erschien sie ihr zu vulgär. Sie erinnerte sich noch sehr gut, wie sie ihr einmal begegnet war mit einer Horde von Fußballfans, sie war sturzbetrunken gewesen und hatten irgendwelche niveaulosen Fußballlieder gesungen. So eine Frau war mit Sicherheit nicht Lars‘ Klasse. Nein, was immer er bei ihr suchte, sie würde es herausfinden und ihm geben und dann würde sein Interesse sehr schnell verrauchen. Schließlich wollte er eine Familie und kein junges Ding, das vom Leben keine Ahnung hatte. Vielleicht hatte er sich geschmeichelt gefühlt, weil er von einer jungen Studentin umgarnt worden war, aber das konnte nichts Ernsthaftes sein. Auch Susanne meinte das. „Männer sind schwach,“ hatte sie gesagt, „der ist triebgesteuert und wird am Ende dankbar sein, wenn du ihn zurücknimmst, wenn sie sich in zwei Monaten einen Kerl in ihrem Alter gesucht hat.“ Sicherlich hatte sie damit Recht. Jetzt lag es an ihr, sie durfte nur keinen Fehler machen und ihn noch mehr in ihre Arme treiben. Sie musste ihm zeigen, wie toll sie war und alles würde gut werden. Schließlich war es noch gar nicht lange her, dass er sie geheiratet hatte und außerdem hatte er ihr letztens erst gesagt, dass er bald aus Paris zurückkäme und dann würden sie endlich ein Kind bekommen.
Ute fühlte sich fast erleichtert. Endlich hatte sie eine Erklärung für ihr ungutes Bauchgefühl in letzter Zeit, sie wusste, dass sie sich das alles nicht eingebildet hatte und konnte nun wirklich etwas dagegen tun. Und sie war sich sicher, dass sie es schaffen konnte. Gestern Abend hatte sie bereits die Feuertaufe bestanden, als Lars nach Hause gekommen war. Sie hatte fürchterliche Angst gehabt, sie könnte sich nicht zusammenreißen und würde anfangen zu weinen, falls sie irgendeine Spur von dieser Charlotte an ihm entdeckte, aber sie sah nichts und schaffte es, ihn betont gut gelaunt zu empfangen und sie hatten sich einen wirklich netten Abend zusammen gemacht und gemeinsam gekocht. Sie war sich sicher, dass es ihm auch gefallen hatte und das war das Wichtigste. Er musste merken, dass es bei ihr eben doch am schönsten war, dann würde ihm das Bedürfnis vergehen, sich anderweitig umzutun. Sie musste auch dafür sorgen, dass sie mehr Sex hätten, hatte Susanne ihr geraten, damit er zu müde sei, um sich noch anderweitig auszutoben. Ute war sich nicht sicher, ob sie ihn wirklich an seine Belastungsgrenze kriegen konnte, aber sie würde ihr Bestes geben und wollte ihn heute Abend nach allen Regeln der Kunst verführen.

*****

Lotte verbrachte den Sonntag damit, noch ein paar Geschenke aus der Küche in Form von diversen Likören und Plätzchen herzustellen, die sie als Ergänzung zu den Standardgeschenken morgen an ihre Familie verteilen wollte. Morgen in der Früh würde sie zu ihren Eltern fahren, wo sich die ganze Familie treffen würde, um den Heiligen Abend gemeinsam zu feiern. Sie freute sich sehr darauf, fühlte sich aber trotzdem bedrückt, weil sie Lars nicht nahe sein konnte und auch in den Tagen danach kein Treffen möglich sein würde. Er hatte ihr gestern eröffnet, dass er mit Ute am 1. Feiertag zu ihren Eltern nach Trier fahren würde und von dort aus fuhren sie am 2. Feiertag weiter nach Frankreich, um seine Familie in Cambraix zu besuchen. Dort würden sie bis nach Neujahr bleiben, weshalb sie ihn in den nächsten anderthalb Wochen nicht treffen konnte und auch jegliche sonstige Kommunikation sich schwierig gestalten konnte. Es frustrierte Lotte und sie vermisste ihn jetzt schon, auch wenn sie ihr Gespräch gestern nur mittelprächtig zufrieden gestellt hatte. Ihre Differenzen bezüglich Jan hatten sie zwar beilegen können und er hatte ihr ihre Wutmail verziehen, aber sie hatte weiterhin Zweifel, was sein Trennungsversprechen anging und fühlte den Drang sich zu übergeben, wenn sie nur daran dachte, dass er die nächsten Tage einen auf heile Familie machen würde, selbst wenn er behauptete, das kommende Familienidyll wäre der pure Horror für ihn.
Das einzig Gute an der langen Zeit bis zum nächsten Wiedersehen war, dass sie so noch etwas Luft hatte, was sein Weihnachtsgeschenk anging. Ihr war gestern endlich die zündende Idee gekommen, allerdings war es sehr aufwändig, so dass ihr jeder Tag mehr gelegen kam.
Immerhin war die Zeit nach dem Gespräch dafür umso befriedigender verlaufen. Lotte musste grinsen. Für sein Alter konnte Lars wirklich erstaunlich oft nacheinander. Aber das sagte sie ihm besser nicht.
Als sie die nächste Ladung Plätzchen im Ofen hatte, beschloss sie, ihm eine Mail zu schicken. Vielleicht würde sie ihre Sehnsucht damit ein klein wenig beruhigen können.



Betreff: It’s December…
Von: Anne-P.De-Mon@hotmail.de
An: L.Laslandes@koelnmail.de
14:38 23.12.2012

… and I’ll be missing you!



Ach Lars… nicht, dass es letzten Dezember besser gewesen wäre, aber das Lied kam mir trotzdem gerade in den Sinn. Ich werde Dich so vermissen, wenn Du weg bist. Ich habe jetzt schon Albträume von Eurem Familienidyll, wahrscheinlich noch Schlimmere als Du. ;-)

Lars, vergiss mich nicht über die Feiertage, versprech es mir. Ich wünsche mir so sehr, dass wir nächstes Sylvester dann gemeinsam begehen. Meinst Du, das schaffen wir?

Es war so schön mit Dir gestern, ich habe jetzt schon wieder Hunger auf Frühstücksnachtisch… Du auch? Soll ich Dir noch ein Foto schicken zum Abschied?

Darf ich Dir eigentlich SMS schicken, wenn Ihr unterwegs seid, für den Fall, dass Du nicht ins Internet kommst? Oder ist das zu riskant?

Ich vermisse Dich jetzt schon!

Lotte

*****

Lars nutzte die Gelegenheit als Ute mit dem Hund draußen war, um nach seinen Mails zu schauen. Er wollte Charlotte noch schnell etwas schicken, damit sie merkte, dass er an sie dachte, sie schien gestern wirklich große Angst zu haben, er könnte sie über die Weihnachtstage vergessen oder unerwartete Gefühle für Ute entdecken. Wobei Ute sich momentan tatsächlich sehr viel Mühe zu geben schien. Vielleicht war sie aber auch einfach entspannter, weil Ferien waren oder sie im Gegensatz zu ihm ein Freund von Weihnachten war. Wie auch immer, er kostete die Vorzüge ihrer aktuellen Stimmungslage gerne aus. Heute früh hatte sie ihm sogar ins Ohr geflüstert, dass sie ihn heute Abend verführen wolle. Solange sie dabei diesmal auf diese seltsamen roten Strapse verzichtete, würde er es sich gefallen lassen. Er hoffte nur, er war erholt genug nach den gestrigen Spielchen mit Charlotte. Aber Ute würde ihm nicht so viel abverlangen.
Als er seine Mails öffnete, sah er, dass Charlotte ihm bereits geschrieben hatte.



Betreff: RE: It’s December…
16:36 23.12.2012

Liebe Charlotte,
sei unbesorgt, ich werde Dich ganz bestimmt nicht vergessen. Ich war gerade an den Computer zu kommen, um Dir das zu schreiben, aber Du warst mir bereits zuvorgekommen mit Deiner Mail.

Ich hoffe, Du hattest noch einen schönen Tag gestern und hast unser Treffen genauso sehr genossen wie ich. Wahrscheinlich bist Du gerade sehr im Stress in Deiner Hexenküche, aber Deine Pläne klangen grandios, meine kleine Küchenfee.

Ich würde mich sehr freuen, wenn wir den nächsten Jahreswechsel bereits gemeinsam feiern würden, mein liebes Lottchen. Warten wir ab, was die Zeit bringt. Vielleicht willst Du mich dann gar nicht mehr…

Fühl Dich erstmal umarmt, ich melde mich aber ganz sicher noch bei Dir bevor wir abreisen, um Dir frohe Weihnachten zu wünschen!

Dein Lars

PS: Mit einem Foto würdest Du mir natürlich eine große Freude bereiten, wie immer... ;-)

Samstag, 22. Dezember 2012

22



Samstag, 22. Dezember

Ute hatte die ganze Nacht kaum geschlafen und um kurz vor 6 Uhr in der Früh hatte sie aufgegeben und war aufgestanden. Sie war einfach zu aufgeregt vor dem, was der heutige Tag bringen würde. Lars war gestern Abend noch auf der Weihnachtsfeier vom Institut gewesen, zu der auch ehemalige Mitarbeiter eingeladen waren. Sie selbst hatte Kopfschmerzen vorgeschoben und war zu Hause geblieben. Sie hatte nicht wirklich den Eindruck gehabt, als wäre er traurig darüber gewesen. Andererseits war sie froh gewesen, dass er nicht versucht hatte, sie zu überreden. So hatte sie wenigstens in Ruhe mit Susanne besprechen können, wie sie heute vorgehen sollte. Lars hatte ihr bereits kurz nachdem sie aus der Dusche gestiegen waren eröffnet, dass er am kommenden Vormittag nochmal alleine in die Stadt müsse, er habe noch eine ganz besondere Überraschung für sie, um die er sich kümmern müsse. Ute war sich der Ironie dieser Aussage durchaus bewusst, verkniff sich aber jeden Kommentar. Da Lars kurz zuvor an seinem Handy gewesen war, war für sie die Sache klar. Ihr Plan hatte funktioniert, „Charles“ hatte die SMS erneut geschickt und die beiden waren verabredet. So hatte sie also die Gelegenheit genutzt, als Lars auf der Weihnachtsfeier war mit Susanne das weitere Vorgehen zu besprechen. Sie hatten sagenhafte zweieinhalb Stunden miteinander telefoniert und Susanne hatte sie davon überzeugt, dass es das Beste war, weiterhin gute Miene zum bösen Spiel zu machen, damit er sich in Sicherheit wiegte und sie rausfinden konnte, was wirklich vor sich ging, bevor er ihr wieder Lügengeschichten auftischte, wenn sie ihn zur Rede stellte.
Trotzdem konnte sie die Gelegenheit heute natürlich nicht ungenutzt lassen herauszufinden, wer seine Affäre war. Sie hatte Susanne erklärt, dass sie ihm einfach folgen wolle um zu sehen, mit wem er sich träfe.  Susanne hatte sie allerdings darauf aufmerksam gemacht, dass dies keineswegs so einfach war, schließlich wusste sie nicht, ob er zu Fuß, mit dem Auto, mit dem Rad oder mit der Bahn fahren würde. Da er ihr gesagt hatte, er wolle in die Stadt, würde er kaum zu Fuß gehen, das wäre unglaubwürdig. Das erschwerte es natürlich ungemein, ihm unauffällig zu folgen. Sie konnte ihm schlecht mit ihrem Rad hinterherfahren, falls er mit dem Rad fuhr, das würde er merken. Wenn er die Bahn nahm, musste sie die gleiche Bahn erwischen, da sie ja nicht wusste, wo er aussteigen würde und ihn dabei unauffällig zu beobachten, würde ebenfalls ziemlich schwierig werden. Ihm im Stadtverkehr unauffällig mit ihrem eigenen Auto zu folgen war ebenfalls fast ein Ding der Unmöglichkeit, da nicht wahnsinnig viele Menschen ein knalloranges Auto fuhren, da würde er sie ziemlich schnell entdecken. Sie hasste die Farbe ihres Autos gerade einmal wieder, aber es war günstig gewesen damals, deswegen hatte sie es genommen. Lars hatte gesagt, man könne es immer noch umlackieren, was bis heute nicht geschehen war.
Schließlich hatte Susanne vorgeschlagen, dass sie ihn mit ihrem Auto verfolgen konnten. Sie fuhr einen schwarzen Golf, davon gab es Tausende, insofern war es unauffällig und Lars würde vermutlich auch nicht darauf achten. Sollte er mit dem Rad fahren, könnten sie ihm mit einem gewissen Abstand ebenfalls folgen und auch falls er die Bahn nahm, könnten sie der Bahnstrecke folgen und an den Haltestellen darauf achten, wo er aussteigen würde, auch wenn dies sicherlich schwierig würde, aber sie waren ja zu zweit. Sie hatten ausgemacht, dass Ute sich um kurz nach zehn verabschieden würde, Lars hatte gesagt, er wolle gegen elf los. So konnte er sich in Sicherheit wiegen und sie würde gemeinsam mit Susanne im Auto etwas entfernt vom Haus warten und ihm dann folgen.
Ute war selten so nervös gewesen. Hoffentlich würde ihr Plan funktionieren und sie könnten Lars wirklich unauffällig folgen, ohne seine Spur zu verlieren. Die meiste Sorge machte ihr, falls er die Bahn nahm oder gar zu Fuß ging und einen Weg durch den Park nahm, dem sie mit dem Auto nicht folgen konnten. Aber vielleicht hatte sie ja Glück.

*****

Lars frohlockte. Ute hatte ihm gesagt, sie wolle ebenfalls noch einen kleinen Stadtbummel unternehmen mit Susanne und hatte sich bereits um kurz vor zehn verabschiedet, so dass er sich in Ruhe fertigmachen konnte, ohne dass er skeptische Blicke für seine Parfümierung oder Ähnliches fürchten musste. Er fühlte eine riesige Vorfreude auf Charlotte, trotz aller Probleme, die dieses Treffen möglicherweise umgaben.
Pfeifend verließ er das Haus und überlegte kurz, ob er das Auto oder die Bahn wählen sollte. Nach dem Treffen mit Charlotte musste er definitiv noch in die Stadt, um tatsächlich noch irgendein Geschenk für Ute zu besorgen, damit seine Ausrede auch Bestand hatte. Eigentlich sprach alles gegen das Auto, man bekam bei Charlotte erfahrungsgemäß keinen Parkplatz und am letzten Samstag vor Weihnachten mit dem Auto in die Stadt zu fahren, grenzte wohl auch an Selbstmord. Allerdings hasste er es, auf die Bahn angewiesen zu sein, zumal die sicherlich auch überfüllt war, so dass er dennoch das Auto nahm. Eventuell würde er statt in die Innenstadt hinterher nach Weiden ins Einkaufszentrum fahren, dort gab es ein Parkhaus und bei dem Regen machte es auch keinen Spaß auf der Ehrenstraße nach Geschenken Ausschau zu halten.
Er hatte Glück und fand recht schnell einen Parkplatz in der Nähe von Charlottes Wohnung. Gerade als er eingeparkt hatte, fiel ihm ein, dass er vergessen hatte Brötchen zu besorgen. Aber auf der Hauptstraße in der Nähe gab es einen Bäcker, dann würde er dort vorbeigehen, bevor er zu ihrer Wohnung ging.

*****

Es hatte perfekt geklappt mit der Verfolgung. Lars hatte tatsächlich das Auto genommen und der Verkehr war so dicht, dass sie nicht auffielen, aber auch nicht zu dicht, so dass sie ihn nicht im Gewusel verlieren konnten. Schließlich hatte er in einer kleinen Straße in der Nähe der Universität geparkt. Susanne hatte Abstand gehalten, sie waren 200 Meter hinter ihm, gerade am Anfang der Straße und wollten beobachten, wohin er gehen würde. Er hatte schon angefangen, in die Gegenrichtung zu gehen, als er es sich plötzlich anders überlegte, umdrehte und ihnen entgegenlief. Susanne hatte keine Chance zu wenden, da es sich um eine der unzähligen Einbahnstraßen der Gegend handelte. Entsetzt hatte Ute Susanne angestarrt.
„Bück dich runter, dann sieht er dich nicht! Ich gebe Gas und wir fahren an ihm vorbei, dann erkennt er mich auch nicht.“, reagierte Susanne flink und trat bereits auf’s Gaspedal.
Ute tat wir ihr geheißen und tauchte erst wieder auf, als sie um die nächste Kreuzung gebogen waren und er sie sicher nicht mehr sehen konnte.
„Und nun? Jetzt haben wir ihn verloren.“, stieß Ute mit enttäuschter Stimme hervor.
„Haben wir nicht, ich habe eine Idee! Wir wechseln den Platz, du fährst mit meinem Auto über die Zülpicher Straße und parkst auf der anderen Seite der Zülpicher Straße in einer Nebenstraße. Da wird er wohl nicht hingehen, ich denke, er will irgendwo hier in den Bereich. Da wartest Du, ich ruf Dich an. Ich zieh mir jetzt die Kapuze ins Gesicht, beim dem Regen fällt das nicht auf, und versuche, ob ich ihn finde und werde ihm folgen. Na los!“
Ute starrte Susanne immer noch perplex an, während diese bereits aus dem Auto gesprungen war und sich die Kapuze tief ins Gesicht schnürte. Dann kam Ute endlich wieder zu sich und wechselte geschwind auf die Fahrerseite.
„Ich meld mich gleich!“, rief Susanne und rannte los um die Ecke und die Straße hinauf in die Richtung, in der Lars verschwunden war.

Ute hatte das Auto in der Nähe der Universitätsklinik geparkt und wartete voller Nervosität, dass Susanne endlich anrufen würde. Nachdem sie bereits ihren zweiten Nagel blutig gekaut hatte – sie hasste diese Angewohnheit an sich – klingelte endlich ihr Handy. Susanne erkundigte sich nach ihrem Standort und sagte, sie wäre in zehn Minuten da und würde ihr dann alles erzählen, aber sie habe Lars gefunden. Ute fühlte, wie ihr Herz endgültig in die Hose rutschte, obwohl sie erfolgreich gewesen waren. Sie hatte Mühe die Tränen zurückzuhalten und bis Susanne da war, war ein dritter Nagel ihrer Nervosität zum Opfer gefallen.

„Hat er dich gesehen?“, war das Erste, womit sie Susanne begrüßte, als diese sich patschnass auf den Autositz sinken ließ.
„Ach was, ich glaube, der hat gar nichts wahrgenommen, der hat überhaupt nicht auf seine Umgebung geachtet, sondern kam gerade völlig verstrahlt grinsend aus der Bäckerei vorne an der Ecke, als ich dort ankam. Um ein Haar wäre ich noch in ihn reingerannt, aber er hatte überhaupt keine Augen für irgendwas, sondern hatte es scheinbar sehr eilig.“
„Weißt du, wo er hingegangen ist?“
„Ja, und ich weiß sogar ziemlich sicher, wo er geklingelt hat.“
Einigermaßen stolz strahlte Susanne sie an.
„Und wo?“, fragte Ute ungeduldig und hatte innerlich das Gefühl, als müsse sie gleich sterben.
„Eins von diesen Mietshäusern in der Nikolausstraße, ich hab die Hausnummer im Handy notiert,
gebe ich dir nachher. Ich konnte nicht hundertprozentig erkennen, wo er genau geklingelt hat, aber
auf zwei Namen konnte ich es einschränken. Entweder bei Holzheim oder bei Rudolf, sagt dir einer dieser Namen etwas?“
Ute hatte nur noch matt nicken können. Natürlich, darauf hätte sie kommen können. Charles – Lotte – Charlotte Holzheim. Eine gute Freundin von Doro und mit Sicherheit die Bäckerin dieser verdammten Plätzchen in der Hasentüte.
Ute riss die Autotür auf. Sie musste sich übergeben.


*****

Zufrieden machte Lars sich auf den Weg nach Weiden. Das Gespräch mit Charlotte war sehr gut gewesen. Und nicht nur das Gespräch. Sie hatten zuerst gemeinsam gefrühstückt und sich dabei ausgesprochen. Er hatte sie beruhigen können, ihr versichert, dass sie ihm wirklich das Wichtigste war und er nach Weihnachten definitiv die Sache mit Ute angehen würde. Ihre Zweifel hatte er ausräumen können. Im Gegenzug hatte sie zugegeben, tatsächlich hauptsächlich aus Rachegelüsten hinaus mit Jan ins Bett gegangen zu sein, ihm aber auch ehrlich gestanden, dass es bereits wieder gekracht hatte zwischen ihnen und ihm von dieser Seite mit Sicherheit keine Konkurrenz drohe. Damit hatte er leben können und so waren sie nach dem Frühstück auf Charlottes Bett übereinander hergefallen, damit keiner von ihnen an diesem Tag noch einen Grund haben würde, sich anderweitig einen Ausgleich zu suchen. Tatsächlich hatten sie gleich dreimal miteinander geschlafen und Lars befürchtete, er hatte seine Pulver nicht nur für den heutigen Tag verschossen. Am liebsten wäre er danach einfach in ihrem Bett liegengeblieben und hätte geschlafen, aber er hatte noch Geschenke zu besorgen und wollte seinen Vorwand mit den Geschenken auch nicht überstrapazieren, er hatte Ute versprochen, spätestens am späten Nachmittag zurück zu sein und es war bereits fast halb vier gewesen, als er bei Charlotte aufbrach.

Freitag, 21. Dezember 2012

21 - Part II




Lotte wurde wach und dachte, sie müsse sterben, so sehr dröhnte ihr der Schädel. Gestern Abend hatte sie Weihnachtsfeier mit ihren Mädels von früher aus der Schule gefeiert und diese war immer extrem feucht-fröhlich. Gegen 4 Uhr morgens war sie im Taxi nach Hause gefahren und hatte gefühlte 5 Promille gehabt. Sie hatten zuerst mit Prosecco angestoßen, dann Cocktails gemixt und später noch Glühwein und Feuerzangenbowle gemacht. Lotte war sich sicher, wenn heute nicht allgemein die Welt untergehen würde, so doch zumindest ihre. Sie konnte sich nicht entsinnen, dass ihr je so übel gewesen war. Sie schaute auf die Uhr. Es war fast 14 Uhr. Sie wankte zur Toilette und versuchte sich erneut zu übergeben, aber es war nichts mehr da, was sie hätte erbrechen können, das hatte sie heute Morgen nach der Mail an Lars bereits erledigt. Nach der Mail an Lars… plötzlich kamen ihr die Erinnerungen zurück. Um Himmels Willen, was hatte sie ihm bloß geschrieben. Sie erinnerte sich nur, dass sie völlig in Rage gewesen war, weil sie sich auf der Weihnachtsfeier recht ausführlich mit Sabine über ihn unterhalten hatte und sie ihr eingeredet hatte, was er für ein Schwein war und dass sie sich nicht länger ausnutzen lassen dürfe. Neben Sabine war wohl vorallem ihr Alkoholpegel sehr überzeugend gewesen. Lotte war sich nicht mehr sicher, was sie ihm genau geschrieben hatte, sie wusste nur noch, dass sie sehr empört gewesen war – wegen Sabines Worten und der Tatsache, dass Lars meinte, er müsse ihr kluge Kommentare zu Jan geben. Ihr schwante Böses. Sie verspürte erneut den Drang, sich zu übergeben, hatte aber keine Substanz.
Sie wankte hinüber in die Küche und spülte erstmal zwei Kopfschmerztabletten und drei Gläser Wasser hinunter. So übel ihr auch war, sie hatte einen Nachdurst, mit dem sie das Rheinhochwasser hätte aufsaugen können.
Dann tapste sie hinüber zum Schreibtisch, um den Rechner hochzufahren und nachzusehen, was sie genau geschrieben hatte. Auf dem Weg dorthin verspürte sie erneut den Drang, sich zu übergeben und sie schaffte es gerade noch rechtzeitig zur Toilette zu stürzen, wo die drei Gläser Wasser den Dachausgang wählten. Lotte ließ den Rechner Rechner sein und legte sich zurück ins Bett. Während sie versuchte, möglichst tief und gleichmäßig zu atmen, um der Übelkeit Herrin zu werden, fiel ihr ein, dass sie die Mail auch über ihr Handy lesen könnte, während sie im Bett lag. Das wäre die schonendere Methode. Sie kramte nach ihrem Handy und fand es schließlich in der Spalte zwischen Bett und Wand. Außerdem war es aus. Lotte stöhnte und schaffte es gerade, das Ladegerät in die Steckdose zu bugsieren, ehe sie sich erneut übergeben musste. Sie hätte sich nicht so hastig bücken dürfen. Nie wieder würde sie diese verfluchte Feuerzangenbowle trinken, schwor sie sich.
Ihr Handy verlangte nach der Pin. Gute Frage… sehr gute Frage. Beim dritten Versuch kriegte sie gerade noch die Kurve. Das Handy piepste. Eine SMS von Lars. Sie unterdrückte das Bedürfnis, sich erneut zu übergeben. Nachdem sie sie gelesen hatte, fand sie sich allerdings doch umgehend auf der Toilette wieder. Was zur Hölle hatte sie geschrieben? Sie musste nachsehen.
Nachdem sie ihr Werk gelesen hatte, kamen ihr die Erinnerungen wieder. Natürlich, sie hatte Jan noch eine SMS geschickt aus lauter Trotz letzte Nacht und er hatte, natürlich, wieder nicht geantwortet. Daraufhin war sie so wütend geworden, dass Lars nicht nur seine, sondern auch Jans Ration gleich mit abbekommen hatte. Trotzdem tat es ihr gerade nur bedingt leid. Immerhin schien Lars seiner SMS nach zu schließen ein schlechtes Gewissen zu haben, insofern konnten ihre Anschuldigungen nicht jeder Grundlage entbehren. Sie beschloss, ihm zu antworten, bevor sie noch eine Runde schlafen würde. Sie hatte das Gefühl, es wurde schon ein wenig besser durch die Tablette, vielleicht wäre sie nach dem Schläfchen wieder lebensfähig.

*****

Ute legte den Hörer auf. Sie musste sich beeilen, der Moment war günstig. Gerade hatte sie mit Susanne telefoniert und ihr gesagt, dass sie bei Lars gestern Abend jede Menge Kratzspuren am Rücken gesichtet hatte, die sie ihm eindeutig nicht zugefügt hatte und von denen sie auch nicht davon ausging, dass er sie im Kampf gegen die Pariser Bettflöhe selbst verursacht hatte. Eigentlich hatte Ute von Susanne nur hören wollen, dass sie schon wieder paranoid werde und bestimmt alles in Ordnung sei, zumal sie erst letzte Woche das klärende Gespräch mit Lars hatte, aber Susanne hatte ihr gesagt, sie solle auf der Hut sein und einfach mal seine Mails oder sein Handy durchsehen zur Beruhigung, da würde sie mit Sicherheit eindeutigere Indizien finden als im Aktenschrank. Eigentlich hatte Ute es nicht tun wollen, aber nun war Lars gerade im Garten Kaminholz hacken und sein Handy lag so einladend auf dem Wohnzimmertisch, weil er sich dort umgezogen hatte zum Holzhacken. Sie würde nur einen kurzen Blick in sein Handy werfen, einmal durch’s Telefonbuch scrollen und die Namen durchsehen oder mal kurz in den SMS-Speicher schauen, nur ganz oberflächlich. Alles halb so schlimm, redete sie sich ein. Danach würde auch Susanne sehen, dass alles ganz harmlos war.
Sie entsperrte die Tastatur. Eigentlich hatte sie zuerst ins Telefonbuch schauen wollen, aber es blinkte eine neue Mitteilung. Sie klickte sie an. Die Nachricht war von Charles. Sie fragte sich, ob es sich bei Charles um Charles Dupont, den Kollegen aus dem Seminar handeln konnte. Dann war sie wohl uninteressant für sie. Sie wollte sie eigentlich ungelesen lassen und direkt in den Speicher gehen, verdrückte sich aber und die Nachricht öffnete sich. Sie fluchte innerlich. Hoffentlich war es nichts Wichtiges, dann könnte sie sie einfach löschen und Lars würde nichts merken. Sie las sie, um sie dann zu löschen.

Lars, wann geht diese Scheißwelt endlich unter?! Falls sie es nicht tut – morgen früh ist ok. 11 Uhr und bring Brötchen…

„Verdammter Mist, es regnet schon wieder!“
Erschrocken hätte Ute fast das Handy fallen lassen. Sie ließ es in ihre Hosentasche gleiten.
„Oh, da bist du ja.“
„Habe ich dich erschreckt?“, Lars lachte.
„Ja. Ja, das hast Du.“

Lars stand mit einem Korb voller Holz vor ihr. Das Hacken war beendet, der Regen war zu stark geworden. Sie musste das Handy loswerden, bevor er etwas merkte.

„Geh doch erstmal unter die Dusche, du bist bestimmt total durchgefroren.“
„Och, es geht eigentlich…“
„Nein, du solltest duschen, nachher wird dir kalt.“ Sanft, aber bestimmt schob sie ihn in Richtung Bad.
„Oho, will da etwa jemand mitduschen und mich wärmen?“, grinste er sie an.
„Oh ja. Und jetzt hopp, ich komme gleich.“
„Ich auch, Baby, da bin ich mir sicher!“, antwortete er breit grinsend und verschwand im Bad.

Erleichtert ging Ute zurück ins Wohnzimmer. Sie musste schnell die SMS löschen. Sie öffnete sie erneut.

Lars, wann geht diese Scheißwelt endlich unter?! Falls sie es nicht tut – morgen früh ist ok. 11 Uhr und bring Brötchen mit. Wir reden beim Frühstück über alles und zum Nachtisch will ich Dich! Freu mich! Enttäusch mich nicht schon wieder! Morgen um 11! Kuss, Lotte

Utes Finger zitterten. Charles hieß offenbar im wahren Leben Lotte.

„Schatzi, ich warte!“, hallte es aus dem Bad.

Hastig löschte Ute die SMS. Sie musste jetzt unter die Dusche und gute Miene zum bösen Spiel machen. Und sie musste sich irgendetwas überlegen, damit „Charles“ die SMS nochmal schickte. Nur so würde es nicht auffallen und sie hatte die Chance, Lars morgen früh auflaufen zu lassen.

„Ich komme gleich, ich muss nur noch etwas vorbereiten. Du wirst begeistert sein!“, flötete Ute.

Schnell schrieb sie eine neue SMS und sendete sie an Charles.
Sorry, mein Handy spinnt, schick nochmal bitte! Lars

Dann löschte sie die SMS aus dem Gesendet-Ordner, riss sich die Kleider vom Leib und stürmte ins Bad.