Dienstag, 8. Januar 2013

Mein Baby war beim Friseur - Dienstag, 08. Januar 2013

Lars war hin- und hergerissen, was er mit dem kommenden Abend anfangen sollte. Ein Kollege hatte ihm gesagt, er müsse unbedingt mit ihm in eine Bar gehen, er wolle ihm seine Schwester vorstellen, sie würde ihm bestimmt gefallen. Nach allem, was Pierre über sie erzählt hatte, hatte Lars keinerlei Zweifel daran, dass ihm diese Claudine gefallen würde. Was sprach also dagegen? Verspürte er tatsächlich so etwas wie ein schlechtes Gewissen? Ute war es nicht, soviel stand fest. Sonst hätte er sich am Sonntag wohl kaum noch mit Charlotte vergnügen können. Aber war es Charlotte? Er war ihr doch gar keine Rechenschaft schuldig, jeder von ihnen konnte machen, was er wollte. Trotzdem, es war der Gedanke an Charlotte, der ihn zurückhielt. Er hatte dieses Bild im Kopf, wie sie am Sonntag nach dem Sex neben ihm im Bett gelegen hatte und tatsächlich kurz eingeschlafen war. Irgendwie hatte sie ein wenig gewirkt wie ein süßes kleines Mädchen, so zart, zerbrechlich und verletzlich. Er wollte heute Abend keine andere neben sich liegen haben, er hatte Sehnsucht nach diesem süßen Wesen. Er erschrak ein wenig vor sich selbst. Solche Empfindungen hätte er für Ute nie haben können, sie löste nicht im Ansatz so etwas in ihm aus. Eigentlich hatte so etwas überhaupt noch nie eine Frau in ihm ausgelöst. Er war sich nicht sicher, ob das gut oder schlecht war. Aber er war sich sicher, dass er heute Abend keine andere Frau als Charlotte in seinem Bett haben wollte. Er beschloss, Pierre eine Mail zu schreiben, dass er heute Abend leider zuviel zu tun habe um sich anzuschließen, aber ein anderes Mal sicher gerne. Als er sein Mailprogramm öffnete, blinkte eine neue Mail von Ute auf. Mehr als verwundert öffnete er sie. Normalerweise kommunizierten sie nicht per Mail, was mochte sie wollen?



Betreff: Überraschung!
Von: Ute.Laslandes@koelnmail.de
An: L.Laslandes@koelnmail.de
15:51 08.01.2013

Guten Tag, mein lieber Schatz!

Da schaust Du, was? Eine Mail von Deiner Liebsten! Aber besondere Anlässe erfordern besondere Maßnahmen und ich habe mir gedacht, bevor Du mich bei Deiner Rückkehr am Donnerstag nicht erkennst, schicke ich Dir lieber mal ein Foto, wer Dich erwarten wird. Ich war nämlich beim Friseur, ich dachte mir, ein bisschen neuer Schwung nach all den Jahren der ewig gleichen Frisur und Farbe kann nicht schaden!

Schau mal in den Anhang! Wie findest Du es???


Der Friseur sagte, ich sehe mit der neuen Frisur viel flotter aus! :-) 

1000 Küsse nach Paris sendet Dir Deine nun rothaarige

Ute



Lars las die Mail dreimal. Das konnte nicht wahr sein. Er hoffte insgeheim, es handele sich um einen schlechten Scherz, aber er war sich durchaus klar, dass Ute nicht zu solchen Scherzen neigte. Er wollte dieses Bild nicht sehen. Er verabscheute Frauen mit rotgefärbten Haaren. Frauen, die von Natur aus rote Haare hatten, konnten etwas haben, wie etwa diese Irin letztens, die war wirklich hübsch gewesen. Mit dem entsprechend blassen Teint und Sommersprossen und der passenden Augenfarbe, wenn alles zusammenpasste, dann ja. Aber alles andere verursachte bei ihm Fluchtinstinkte und ließ unschöne Assoziationen aufkommen. Er hatte tatsächlich letztens noch mit Charlotte darüber gelästert. Auf seine Bemerkung, dass er ein Knöllchen kassiert habe, hatte sie gefragt, ob ihm eigentlich schon einmal aufgefallen sei, dass 90% der Politessen rotgefärbte Haare trügen. Es war ihm bis dahin nicht bewusst gewesen, aber er hatte zugeben müssen, dass sie Recht hatte, je mehr er darüber nachdachte. Und Charlotte hatte weiter vom Leder gezogen. Es sei der gleiche Typ Frau, der an Samstagnachmittagen im Zehnerverbund in der Kölner City die Bekleidungsgeschäfte gezielt nach schlechtem Geschmack absuche und dem man schon aus 200 Metern Entfernung ansehen würde, dass er (bzw. sie) aus der Eifel kommt. Wieder hatte er sofort gewusst, was sie meinte. Genau dieser Typ Frau trieb ihm die Schweißperlen auf die Stirn. Und nun sollte er so etwas zu Hause haben? Er wollte dieses Foto einfach nicht sehen, aber dann öffnete er es doch. Er hatte gehofft, durch Utes schulterlanges Haar werde der Eindruck möglicherweise kompensiert. Oder dass es mehr ein Kastanienton sei, als irgendetwas im Bereich Aubergine oder Karotte. Er zog hörbar die Luft ein. Es war Aubergine. Aber nicht mehr schulterlang, sondern karottensalatkurz. Das konnte nicht wahr sein.
Der Friseur sagte, ich sehe mit der neuen Frisur viel flotter aus! Der Friseur dachte wohl an flotter zum Davonlaufen. Er konnte es nicht fassen. Dieser Friseur gehörte verklagt. Wie hatte sie sich so eine Frisur aufschwatzen lassen können. Das konnte doch unmöglich ihr eigener Wunsch gewesen sein. Er überlegte, was um Himmels Willen er ihr antworten sollte. Selbst wenn er jetzt Begeisterung heucheln würde, er würde spätestens vor Ort das Nichtgefallen nicht verbergen können, um es vorsichtig auszudrücken. Vielleicht sollte er zuerst Charlotte schreiben, möglicherweise hatte sie einen verträglicheren Vorschlag. Er musste ihr außerdem dieses Bild zeigen. Vielleicht war es ja wirklich ein Trend, sie würde mehr Ahnung davon haben als er. Und falls es ein Trend war, musste er sie direkt nochmal ermahnen, ihn unter keinen Umständen mitzumachen, auch wenn das nach ihren Aussagen wohl kaum zu befürchten war. Vermutlich würde sie sich köstlich amüsieren. Ute war es selber schuld, sie gab sich mit dieser Frisur der Lächerlichkeit preis, nicht er sie...




Betreff:Mein Baby war beim Friseur... (quel malheur!!!)
Von: L.Laslandes@koelnmail.de
An: Anne-P.De-Mon@hotmail.de
16:22 08.01.2013

Liebste Charlotte,

Du als Ärzte-Fan weißt, wovon ich spreche. Sieh Dir das Elend an und sag mir, was ich ihr sagen soll?! Sie scheint völlig begeistert von ihrer neuen Frisur und scheint selbige Begeisterung auch von mir zu erwarten. Du weißt, was ich von derlei Frisuren halte. Wer, wenn nicht Du?! Charlotte, was sage ich ihr? Ich kann ihr doch noch schreiben, dass sie ihren Friseur verklagen soll.
Ich zitiere: "Der Friseur sagte, ich sehe mit der neuen Frisur viel flotter aus! :-)"
Ganz ehrlich, der gehört doch in den Knast, oder? Sind solche Frisuren gerade irgendwie angesagt? Dann gäbe es wenigstens einen Grund für dieses Desaster, wenn auch keinen sinnvollen. 
Wenn ich ihr jetzt schreibe, dass sie aussieht wie eine Politesse und ab jetzt eine Perrücke tragen sollte, wenn ich in der Nähe bin, wird sie es mir übelnehmen. Wenn ich so tue, als würde es mir gefallen, wird sie vermutlich trotzdem sehr bald merken, dass das Gegenteil der Fall ist. Charlotte, bitte, wie bringt man einer Frau so etwas bei?


Und entschuldige, mir ist um die Absurdität, gerade Dich bei dieser Angelegenheit um Rat zu bitten durchaus bewusst, aber Du verstehst mich wenigstens. Und bedenke, eine friedliche Atmosphäre ist auch einer friedlichen Trennung zuträglich, Du wirst mit Deiner Hilfe also nicht unsere Ehe verlängern.

Was aber noch viel wichtiger ist - wie geht es Dir? Fühlst Du Dich besser? Warst Du beim Arzt? Was hat er gesagt?

Die liebsten Gedanken aus Paris sendet Dir

Dein Lars 


Er hoffte, Charlotte würde antworten, bevor er am Abend mit Ute telefonieren musste. Im Notfall würde er doch erst einmal Begeisterung heucheln... Er fragte sich, was in aller Welt in Ute gefahren war. 

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