Montag, 17. Juni 2013

Ins Auge gehen - Donnerstag, 21. Februar 2013

Jan erwachte mit einer unbändigen Wut im Bauch, als der Wecker ihn aus dem Schlaf riss. Er war gerade auf dem Weg ins Bett gewesen gestern Abend, als sein Handy aufgeleuchtet hatte und eine SMS von Lotte anzeigte. Natürlich wollte sie ihm wieder nur Vorwürfe machen, das blöde Miststück. Sie machte eine große Nummer daraus, dass er ihr Karneval versehentlich einen mitgegeben hatte. Wie sie sich zuvor aufgeführt hatte, darauf war sie natürlich nicht eingegangen. Während sein Ärger gewachsen war, war noch eine zweite SMS hinterhergekommen, als hätte sie seine Gedanken lesen können. Darin machte sie plötzlich einen auf zahmes Reh und bat um eine Aussprache. Es war doch absolut lächerlich. Wenn er so böse war, warum kam sie dann wieder angekrochen? Es ging ihr doch bloß darum, ihm Vorwürfe zu machen oder ihn dann wieder mit irgendwelchen anderen Kerlen oder sonstigen hinterfotzigen Aktionen zu verletzen. Deswegen hatte er ihr auch gar nicht erst geantwortet gestern Abend. Trotzdem hatten ihm ihre SMS die halbe Nacht seines Schlafes beraubt und nun fühlte er sich wie zerschlagen. Gegen 4 Uhr morgens, kurz, bevor er endlich eingeschlafen war, waren seine Gedanken so weit gewesen, dass er eine gewisse Versuchung empfand, ihr doch zu antworten und sich mit ihr zu treffen. Er konnte gar nicht sagen, was genau ihn an einem Treffen reizte. Vielleicht war es der Gedanke, seiner Wut Luft zu machen und ihr persönlich zu sagen, was sie für ein Miststück war. Zu sehen, dass ihr Gesicht auch ohne Make Up völlig unbeschädigt war und ihre Vorwürfe aus der Luft gegriffen und lächerlich. Vielleicht wollte er es ihr auch klarmachen, ihr zeigen, dass sie ihn doch brauchte, auch wenn sie mit ihrem arroganten Gehabe an Karneval kläglich versucht hatte, ihm das Gegenteil zu beweisen. Er malte sich aus, wie sie zu ihm kam, er ihr klarmachte, wie lächerlich und aufgesetzt ihr Verhalten war und danach über sie herfiel und sich nahm, was ihm zustand. Und zwar nur ihm und nicht irgendeinem anderen ihrer Scheißkerle, mit denen sie immer wieder versuchte, ihn eifersüchtig zu machen. Vielleicht würde sie zuerst so tun, als ob sie es nicht wolle, aber am Ende würde sie ihm dankbar sein und zu schätzen wissen, dass er es ihr besorgt hatte. Sie würde begreifen, wo sie hingehört. Hoffentlich. Er griff zu seinem Handy.

Ok, sei heute Abend um 20 Uhr bei mir. Jan

*****
Routinemäßig war Lotte einen Blick auf ihr Handy, um zu sehen, wie spät es war, als sie aus der Dusche zurück ins Schlafzimmer lief. Sie verspürte einen Schlag in die Magengrube und Aufregung stieg in ihr hoch. Eine SMS von Jan. Damit hatte sie nicht gerechnet. Zwar hatte sie natürlich ein bisschen darauf gehofft, aber nun, wo tatsächlich eine da war, verspürte sie mehr ein beklemmendes Gefühl und eine leichte Angst, als den Drang, die SMS zu öffnen. Natürlich siegte ihre Neugier trotzdem und sie tippte mit leicht zitternden Fingern auf den Touchscreen um die Nachricht zu lesen, nachdem sie sich schnell ein Shirt übergestreift hatte.
Heute Abend um 20 Uhr... es war so typisch, dass er versuchte, ihr zu befehlen, wann sie sich sehen würden, dass das Treffen nach seinen Bedingungen abzulaufen hatte, wenn er sich schon dazu herab ließ. Aber sie wusste, dass jede Diskussion zwecklos sein würde. Wenn sie etwas dagegen sagen würde, würde er sich gar nicht mit ihr treffen. Vielleicht wäre das auch besser, aber den Gedanken schob sie schnell wieder weg. 
Sie überlegte. Eigentlich musste sie heute Abend Babysitten. Der Termin stand bereits seit drei Wochen und Margit, die Mutter der Zwillinge, auf die sie aufpassen sollte, würde alles andere als erfreut sein, wenn sie so kurzfristig absagen würde. Andererseits gab ihr Auge immer noch Anlass zu unangenehmen Nachfragen und sie war sich relativ sicher, dass Margit ihr welche stellen würde, sie war genau der Typ dafür. Allein das war Argument genug, den Termin abzusagen, sie hatte keine Lust, ihr irgendeine Geschichte aufzutischen oder sich für etwas rechtfertigen zu müssen, dass hatte sie bei Doro in den letzten Tagen bereits oft genug gemusst. Sie würde gleich anrufen und Margit mitteilen, dass sie eine Augenentzündung habe und die Kinder damit nicht anstecken wolle. So war immerhin ein Fünkchen Wahrheit mit dabei und bei so einem Grund konnte sie sich auch nicht über ihren Ausfall beklagen. Es war ja auch nicht so, dass sie ständig Termine absagte. Bisher hatte sie es nur ein einziges Mal getan und damals hatte sie mit 40 Fieber und einer Sommergrippe im Bett gelegen. Sie war sonst immer zuverlässig, also konnte sie sich das heute erlauben. Sie griff zum Hörer, um Margit über ihre Augenentzündung in Kenntnis zu setzen.

*****

Ute verspürte immer noch eine unendliche Erleichterung. Die Entfernung der Zyste war ohne Komplikationen verlaufen und nach allem, was die Ärzte ihr gesagt hatten, war die Sache damit erledigt. Es gab keinen Anlass anzunehmen, dass diese Geschichte zukünftige Schwangerschaften negativ beeinflussen könnte, hatte man ihr versichert und auch sonst fühlte sie sich bestens und spürte keinerlei Nachwirkungen des Eingriffs.
Am Nachmittag wollte sie in die Stadt und sich zur Feier des Tages ein paar neue Sachen kaufen, um damit hoffentlich Lars zu beeindrucken, wenn er morgen aus Paris zurück kam.
Er hatte gar nichts mitbekommen von ihrem Krankenhausaufenthalt. Einmal hatte er angerufen aus Paris, aber glücklicherweise erst, als sie wieder zu Hause gewesen war.
Sie hatte wirklich Glück gehabt, das hätte alles auch ins Auge gehen können. Nun musste sie bloß noch eine Lösung für ihre Schwangerschaft finden...

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen