Donnerstag, 4. April 2013

Alte Muster - Mittwoch, 20. Februar 2013

Endlich war ihr Auge soweit abgeschwollen, dass sie es wagen konnte, mit gezieltem Make Up das Haus auch wieder bei Tageslicht zu verlassen. Erst jetzt wurde Lotte wirklich klar, wie sehr sie sich eingeschränkt gefühlt hatte. Am Nachmittag hatte sie sich mit Doro auf einen Kaffee in der Stadt getroffen. Sie hatte kritisch ihr Auge begutachtet und dann auf sie eingeredet, dass sie sich nach diesem Vorfall doch jetzt wenigstens für alle Zeiten von dem Gedanken verabschiedet hätte, noch einmal in irgendeiner Form etwas mit Jan zu tun zu haben. Lotte hatte es abgenickt, aber in Wahrheit war sie sich da gar nicht so sicher. Jetzt, wo sie abends wieder alleine mit Schröder auf dem Sofa saß und versuchte, im Fernsehprogramm eine Ablenkung von den Gedanken an Lars zu finden, kamen auch wieder Gedanken an Jan auf. Es war nicht direkt so, dass sie ihn vermisste, kein Vergleich zu Lars, es war ein seltsames, kaum definierbares Gefühl. Es tat ihr weh, dass er sich gar nicht mehr gemeldet hatte nach dem Vorfall. Wenn er sich wenigstens entschuldigt hätte. Es musste ihm doch leid tun. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass es ihm nicht leid tat. Wenn man sich jahrelang geliebt hatte, konnten Gefühle doch nicht einfach so verschwinden. Und wenn sie ihm egal wäre, wäre er schließlich nicht so ausgerastet. Dann wäre es ihm egal gewesen, was sie vermeintlich mit anderen Männern trieb. Aber es war ihm nicht egal gewesen, er hatte sie deswegen geschlagen. Eigentlich musste er sie dann doch immer noch lieben. Aber Menschen, die man liebte, schlug man nicht. Das hatte Doro heute immer wieder gepredigt.
Andererseits war Jan teilweise durch seinen Drogenkonsum beeinflusst und nicht Herr seiner Sinne. Vielleicht konnte man ihn gar nicht voll dafür verantwortlich machen. Sie wusste, dass es das eigentlich nicht besser machte. Vorallem hätte er sich wenigstens entschuldigen können, als er wieder bei Sinnen war. Aber er hatte es nicht getan. Er würde es auch nicht tun, so oder so nicht, das wusste sie. Jan entschuldigte sich nicht. Nie. Bei niemandem. Selbst wenn es ihm leid tun sollte, würde er sich eher die Zunge abhacken, als dass er sich entschuldigen würde. Was neutral betrachtet ein weiterer Grund wäre, ihn für alle Zeiten aus ihrem Leben zu verbannen. Sie hatten sich nie gut getan. Dennoch hatte sie ein starkes Bedürfnis, sich beim ihm zu melden. Die Situation machte sie wahnsinnig, sie wollte das Geschehene nicht einfach so stehen lassen. Vielleicht konnten sie sich ja aussprechen. Vernünftig und in Ruhe. Nüchtern. Damit die Situation bei ihrem nächsten Aufeinandertreffen, das zwangsläufig irgendwann passieren würde, nicht wieder völlig aus dem Ruder lief.
Eigentlich wusste sie, dass der Gedanke absurd war. Alle bisherigen Versuche, sich irgendwann einmal mit Jan zu irgendetwas auszusprechen, hatten zu vielen Dingen geführt, aber nie zu einer Klärung.
Sie erwischte sich dabei, wie sie sich an ihren Versöhnungssex erinnerte. Mit keinem hatte sie soviel Spaß im Bett gehabt wie mit Jan. Vielleicht, weil bei keinem so viele Emotionen mit dabei gewesen waren. Selbst bei Lars nicht, das war einfach etwas anderes gewesen. Man konnte die beiden überhaupt nicht vergleichen.
Sie verbot sich die Gedanken an Sex mit Jan. Wie dumm musste sie sein? Saß sie ernsthaft hier auf dem Sofa und träumte von einem Kerl, der ihr zum wiederholten Male eine verpasst hatte und sich noch nicht einmal dafür entschuldigt hatte? Ihr schmerzendes Auge sollte Mahnung genug sein.
Eigentlich ging es ihr doch nur um eine Aussprache. Sie wollte deeskalierend wirken, damit es beim nächsten Mal nicht wieder soweit kam.

Vielleicht war es auch nur das übliche Muster - wenn es mit einem Kerl zu Ende gegangen war, kam die Sehnsucht nach dem Vertrauten und damit nach Jan. Es war immer so gewesen bei ihnen, wenn sie beide frei waren, hatten sich ihre Wege wieder gekreuzt. Eigentlich primär, wenn sie frei gewesen war. Er hatte keine längere Beziehung gehabt. Wahrscheinlich hielt es niemand auf Dauer aus. Genau so, wie es mit ihnen nie auf Dauer funktioniert hatte. Und dennoch hatte es sie immer wieder zueinander hingezogen. Es war ja auch nicht alles schlecht gewesen.

Aber darum ging es ihr jetzt gar nicht. Sie wollte nur eine Aussprache, vielleicht auch eine Entschuldigung, auch wenn sie wusste, dass sie sie nicht bekommen würde. Vielleicht wollte sie auch nur Ablenkung von Lars. Die würde sie ganz sicherlich bekommen, wenn sie sich bei Jan melden würde. Ob es dadurch insgesamt besser würde, blieb dahingestellt...

Sie griff nach ihrem Handy. Schiss der Hund drauf, es musste ja niemand erfahren. Sie wusste, dass Doro ausrasten würde, wenn sie wüsste, dass sie sich bei Jan meldete.

Sie würde ihm nur eine SMS schicken, mehr nicht. Wahrscheinlich antwortete er ohnehin nicht darauf und damit hatte sich das Thema erledigt. Aber so hatte sie wenigstens für heute Abend etwas Anderes als Lars, worüber sie sich Gedanken machen konnte.

Falls es Dich interessiert - seit heute kann ich mit normalem Tages-Make Up wieder das Haus verlassen, ohne das mein Auge unangenehm auffällt.

Sie drückte auf Senden, bevor sie es sich anders überlegen konnte. Direkt leuchtete die Empfangsbestätigung auf. Lotte spürte, wie ihr Magen unruhig wurde. War die SMS zu vorwurfsvoll? Würde er sich dadurch nur erneut angegriffen und provoziert fühlen? Vielleicht sollte sie noch eine hinterher schicken. Sie wollte schließlich eine Aussprache.

Jan, warum hast Du das getan? Können wir uns treffen und uns aussprechen? Ich möchte nicht, dass unser nächstes Zusammentreffen völlig eskaliert. Lass es uns vorher vernünftig klären. Lotte

5 Kommentare:

  1. Lotte und Lars werden schon vermisst. ;)

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  2. Oh, Ihr Lieben! Ich geb mir Mühe, mal wieder ein bisschen Motivation zu finden... Lotte und Lars werden gerade ein bisschen vom wahren Leben sabotiert. ;-)

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  3. Doofe nie enden wollende Sabotage!

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