Mittwoch, 20. Februar 2013

Mit einem blauen Auge, nicht davon gekommen - Montag, 11. Februas 2013

Lotte wusste immer noch nicht, wie es hatte gestern Abend passieren können, aber sie wusste, es hätte nie passieren dürfen. Abends, als sie nach dem Karnevalszug im Veedel mit allen in der Kneipe war, war sie Jan begegnet und die Situation war völlig aus dem Ruder gelaufen. Sie war eigentlich nicht auf Streit aus gewesen, im Gegenteil, sie hatte ihn zunächst freundlich gegrüßt und so getan, als hätten sie kein Problem miteinander, aber Jan hatte sofort deutlich gemacht, dass er das anders sah und sie mit Beschuldigungen übergossen, was sie für ein Miststück wäre und dass sie ihn ständig provozieren wolle. Sie hatte daraufhin versucht, ihm aus dem Weg zu gehen, was beim Getümmel in der Kneipe erst einmal kein Problem gewesen war. Konkret gesagt hatte sie ihn einfach stehenlassen, während er sie beschimpfte und sich durch die Menge zu Nico und anderen Freunden, die sei bereits seit Kindertagen kannte, durchgedrängt, um mit ihnen in Ruhe zu feiern. Jan war ihr nicht gefolgt und zunächst war alles gut erschienen, sie hatte ihn gar nicht mehr wahrgenommen. Doch dann, irgendwann zu fortgeschrittener Stunde, als sie bereits ganz gut etwas getrunken hatte, waren sie und Nico sich näher gekommen, so, wie man sich an Karneval nun einmal näher kommt, manchmal. Es war wie in diesem Lied gewesen "1000 Mal berührt, 1000 Mal ist nichts passiert...". Sie kannten sich schon so lange und waren sich eigentlich, bis auf eine kleine Anspielungen im Suff, die aber immer eher spaßig gemeint waren, noch nie ernsthaft näher gekommen. Jan hatte das zwar immer anders gesehen - Nico und er waren lange Zeit sehr gut befreundet gewesenen, was sich geändert hatte, als Lotte und Jan ihre erste von vielen Trennungen hatten und Nico sich auf Lottes Seite geschlagen hatte. Es war damals rein freundschaftlicher Natur gewesen und Nico hatte lediglich zu ihr gehalten, weil er es nicht hatte mitansehen können, wie mies Jan sie behandelt hatte, aber Jan hatte es nie glauben wollen und ihnen immer eine Affäre unterstellt.
Plötzlich hatte Nico ihr dann gestern Abend beim Tanzen ins Ohr geflüstert, was sie davon halten würde, wenn sie an diesem wunderbaren Karnevalssonntag Jans Albtraum Wahrheit werden lassen würden und wirklich ein bisschen Spaß miteinander hätten, es würde schließlich eh nichts ändern und am Dienstag würde der Nubbel alles wieder ungeschehen machen. Sie hatten noch kurz eng umschlungen getanzt und hatten dann die Kneipe verlassen, um sich ein ruhigeres Plätzchen zu suchen. Kaum waren sie jedoch vor die Tür getreten, war Jan plötzlich auf sie zugestürzt gekommen und hatte Nico seine Faust ins Gesicht gerammt. Lotte hatte versucht dazwischen zu gehen und deeskalierend zu wirken, da sie wusste, dass auch Nico durchaus aggressiv werden konnte, wenn er nicht mehr ganz nüchtern war. Ihr Erfolg war gewesen, dass als Nächstes Jans Faust sie knapp unterhalb des Auges getroffen hatte und sie zu Boden gestürzt war. Inzwischen waren andere Jecke herbeigeeilt und halfen ihr hoch, während Nico auf Jan losstürzte und ihn zusammenschrie, ob er inzwischen völlig den Verstand und jegliche Ehre verloren hätte, eine Frau zu schlagen, während Jan sie beide auf's Übelste beschimpfte. Sie selbst war durch den Schlag, den Schock und vermutlich auch den Alkohol so benebelt gewesen, dass sie die Details gar nicht mehr mitbekommen hatte, sie wusste nur, dass am Ende ein Streifenwagen gekommen war, während die beiden Streithähne bereits getrennt worden waren, aber Jan immer noch wahnsinnig aggressiv tobte und versuchte, sich aus der Umklammerung zweier Schränke zu lösen und wieder auf sie oder Nico loszustürzen, und die Polizisten Jan schließlich in den Wagen gepackt und mitgenommen hatten. Inzwischen waren auch andere aus der Clique aus der Kneipe gekommen und Lisa und Ines, die sie ebenfalls von Kindesbeinen auf kannte, hatten gesagt, sie würden sie nach Hause bringen, es wäre wohl besser, wenn Nico das nicht übernehmen würde. Hier war sie nun gerade aufgewacht und spürte, dass sie ihr linkes Auge kaum öffnen konnte, weil es durch den Schlag, der es eigentlich nicht einmal richtig getroffen hatte, so zugeschwollen war. Dabei hatte sie es gestern Abend, als sie zu Hause war, sofort gekühlt.
Sie war immer noch fassungslos. Auch wenn der Schlag nicht direkt ihr gegolten hatte, sondern eher in Richtung Nico gegangen war, so hatte Jan doch mit seinen Beschimpfungen hinterher deutlich gemacht, dass er ihn nicht als Fehlschlag sah. Und hätte man ihn gelassen, so hätte er ihr vielleicht noch mehr verpasst. Was war nur mit ihm geschehen, dass er zu solchen Dingen fähig war?
Karneval war jedenfalls für sie gelaufen, mit diesem Auge würde sie vorerst das Haus nicht mehr verlassen, wenn es nicht unbedingt nötig war. Sie sah grauenvoll aus und außerdem war das Gefühl widerlich, es spannte und schmerzte.
Ihr kamen die Tränen, was es nicht besser machte. Sie versuchte, sich zusammenzureissen, um nicht noch mehr Schmerzen durch die Heulerei zu bekommen, aber es fiel ihr schwer. Sie fühlte sich so einsam, hilflos und gedemütigt. Es hatte nie gereicht zwischen Jan und ihr, immer wieder war es zu schlimmen Konflikten gekommen und es war auch nicht das erste Mal gewesen, dass ihm die Hand gegen sie ausgerutscht war, allerdings war es noch nie so aus heiterem Himmel gekommen. Sie fühlte sich bedroht und unsicher und wusste nicht, wie sie mit der Situation umgehen sollte. Sie fragte sich auch, was die Polizei wohl mit ihm gemacht hatte. Vermutlich nichts, bestenfalls hatten sie ihn in eine Ausnüchterungszelle gesteckt, aber so betrunken war er ihr gar nicht vorgekommen.
Sie wünschte sich, mit ihm abschließen zu können und ihn nie wieder sehen zu müssen. Überhaupt wünschte sie sich gerade eigentlich nur ein bisschen Sicherheit und Geborgenheit, von einem anständigen Mann in die Arme genommen zu werden und sich beschützt zu fühlen. Sie sehnte sich nach Lars...

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