Freitag, 7. Dezember 2012

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Freitag, 7. Dezember

Lars hatte schlecht geschlafen. Auch wenn der Abend gestern mit Ute noch recht gemütlich gewesen war, machte er sich Sorgen. Irgendetwas stimmte nicht mit ihr und er konnte auch nicht recht glauben, dass sie nur geweint hatte, weil sie ihn vermisst hatte, auch wenn sie darauf beharrte, es habe daran gelegen. Er hatte die ganze Zeit an Charlottes Mail denken müssen und ihre Schilderung von Ute. Es konnte nicht sein, dass sie ständig weinte, weil sie ihn vermisste, so war sie nicht. Natürlich war sie anhänglich, aber sie hatte auch gewusst, wen sie heiratet und war bisher immer recht souverän damit umgegangen, dass er seinen Freiraum brauchte. Es musste einen anderen Grund geben und die Grübelei darüber hatte seinen Schlaf gestört.
Jetzt genoss er es, alleine in der Wohnung zu sein. Ute war heute Morgen mit dem Hund rausgegangen, obwohl das normalerweise freitags sein Job war, aber er hatte keine Lust gehabt bei diesem Schneetreiben mit dem Hund durch den Wald zu laufen, zumal er glaubte, dass der Schnee bereits halb so hoch lag, wie der Hund groß war und er sich das Elend nicht ansehen wollte. Also hatte er so getan, als sei er noch immer sehr geschafft von der Reise und zumindest die Tatsache, dass er noch hundemüde war, war nicht einmal gelogen gewesen und Ute hatte sich erbarmt und war mit Hugo losgezogen. Auf dem Rückweg hatte sie frische Brötchen mitgebracht und so hatte er direkt vom Bett zum liebevoll gedeckten Frühstückstisch gehen können. Beim Frühstück hatte es keine besonderen Vorkommnisse gegeben und danach musste Ute relativ schnell los, weil sie um 10 Uhr irgendeinen Yoga-Kurs besuchen wollte. Susanne nahm auch an diesem Yoga-Kurs teil, weshalb die beiden direkt danach weiter zum Weihnachtsmarkt wollten und er Ute bis heute Abend los war. Sie hatten sich für 18 Uhr am Rudolfplatz verabredet.
Er las die Zeitung zu Ende, dann ging er zum Auto, um Charlottes Stiefel aus dem Kofferraum zu holen. Er wollte den Karton noch in Geschenkpapier einpacken und nicht einfach so überreichen. Beim Blick auf den Karton fragte er sich, wo Ute wohl das Geschenkpapier lagerte. Normalerweise war Geschenke einpacken ihr Job und er hatte keine Ahnung, wo sich das Geschenkpapier befand. Nachdem er fast eine Viertelstunde vergeblich gesucht hatte, fand er es schließlich in der untersten Schublade in einer Kommode im Arbeitszimmer. Die Auswahl war zwar groß, dennoch gefiel ihm keine der Rollen auch nur ansatzweise für seine Zwecke. Genervt knallte er die Schublade wieder zu und beschloss, den Karton einfach in Packpapier zu packen. Das empfand er in jedem Fall als geschmackvoller als dieses grauenvolle Geschenkpapier. Charlotte hatte sowieso bisweilen eine minimalistische Ader, nicht nur bei ihrer Unterwäsche, dachte er grinsend. Nachdem er den Karton mit Packpapier umhüllt hatte, beschloss er, das Ganze mit rotem Geschenkband in Kombination mit Paketkordel abzurunden und war recht zufrieden mit seinem Werk. Charlotte würde Augen machen.
Er beschloss, noch ein wenig zu arbeiten, dann würde er duschen und sich auf den Weg zu Charlotte machen. Er hatte es nicht weit, mit dem Auto war er in wenigen Minuten da, aber heute würde er mit der Bahn fahren, da er anschließend ja noch auf den Weihnachtsmarkt musste. Beim Gedanken daran sank seine Laune direkt wieder ein wenig.

Lotte saugte und putzte noch schnell durch. Durch den Schnee draußen war der Fußboden im Flur nach dem Spaziergang mit Schröder einigermaßen pflegebedürftig und der Rest der Wohnung konnte es auch vertragen. Dann war es an der Zeit, sich selbst herzurichten und sie hüpfte unter die Dusche. Sie hatte noch eine Stunde bis Lars kam und war sich immer noch nicht sicher, was sie anziehen sollte. Während sie unter der Dusche stand, fiel ihr ein, dass eines ihrer Parfums Chloé hieß. Sie konnte nicht widerstehen und trug es direkt nach dem Duschen auf. Schließlich entschied sie sich für ein schlichtes, aber sehr figurbetontes schwarzes Kleid und eine passende Strumpfhose. Dazu schlüpfte sie ganz unschuldig in ihre Puschen. Lars sollte nicht den Eindruck bekommen, sie habe sich extra für ihn herausgeputzt.

Lars trug noch einen Hauch Aftershave auf, bevor er die Wohnung verließ. Er wusste, dass Lotte den Duft mochte und wollte ihr gefallen. Deswegen hatte er auch ein Hemd angezogen, obwohl später auf dem Weihnachtsmarkt ein dicker Wollpulli mit Sicherheit die angenehmere Variante gewesen wäre, gerade beim immer mehr zunehmenden Schneegestöber draußen.
Im letzten Moment hatte er noch eine der Rosen, die er Ute gestern geschenkt hatte aus der Vase gefischt und im Knoten des Paketbands befestigt, mit dem er Charlottes Geschenk umwickelt hatte. Dann steckte er das Ganze noch in eine große Tüte, damit das Schneegestöber ihm nichts anhaben konnte und machte sich auf den Weg.

Lotte lag auf ihrer Couch, in eine Decke gewickelt, und kraulte mit ihrer linken Hand Schröders Kopf, während sie in der rechten ihr Weinglas hielt. Geistesabwesend beobachtete sie die Flamme der Adventskranzkerze und ließ die vergangenen Stunden Revue passieren. Es war kurz nach 19 Uhr und Lars hatte eben ihre Wohnung verlassen, um sich auf den Weg zu seiner Frau auf den Weihnachtsmarkt zu machen. Eigentlich waren sie für 18 Uhr verabredet gewesen, aber Lars hatte vorgeschoben, durch das Schneegestöber aufgehalten worden zu sein. Lotte fragte sich, ob Ute ihm das abkaufte. Natürlich schneite es heftig und der Kölner Verkehr war wie immer zu solchen Anlässen zusammengebrochen, aber Lars hätte es nicht weit gehabt von sich nach Hause bis zum Weihnachtsmarkt und dafür war über eine Stunde Verspätung schon heftig. Andererseits schien Ute nicht viel zu hinterfragen und Lars hatte sich wenig Gedanken darum gemacht, dass sie irgendwelche Zweifel haben könnten. Notfalls sei er eben noch unterwegs von einem Nachbarn aufgehalten worden, meinte er nur. Es sollte auch nicht ihr Problem sein – hoffentlich.
Sie fühlte sich elend. Eigentlich kam sie gut mit der Situation klar, aber nach ihren Treffen war es manchmal doch bitter, wenn sie ihn wieder ziehen lassen musste und wusste, dass er den Abend gemütlich (oder vielleicht auch nicht, aber zumindest in ihrer Phantasie gemütlich) mit einer anderen Frau verbrachte. Meist war es am nächsten Tag spätestens auch wieder gut. Sie wusste, dass sie realistisch betrachtet in der besseren Situation war und sie hätte auch keinesfalls mit seiner Frau tauschen wollen. Immerhin wusste sie im Gegensatz zu Ute, woran sie war und wurde nicht von vorne bis hinten belogen. Sie fühlte sich von ihm geliebt und begehrt und sie war sich sicher, dass das bei Ute nicht im Entferntesten der Fall sein konnte. Und falls sie wirklich immer noch seinem Theater auf den Leim ging, so war ihr auch nicht zu helfen.
Es war schwierig für Lotte. Einerseits empfand sie ein wahnsinniges Mitleid mit dieser Frau, die seit Beginn ihrer Beziehung konsequent von ihrem Mann betrogen worden war und von nichts auch nur den Hauch einer Ahnung zu haben schien. Im Nachhinein konnte Lotte immer noch kaum fassen, wie es damals gekommen war. Nachdem Lars in der Sprechstunde so unverschämt zu ihr gewesen war, hatte sie gekocht vor Wut und zwei Wochen lang gedacht, dass sie es ihm irgendwie heimzahlen müsse. Schließlich war ihr eine Idee gekommen. Er hatte seinen Ruf als Womanizer im Institut weg, auch wenn niemand Beweise hatte und so kam ihr der Einfall, dass sie für Beweise sorgen und ihn ans Messer liefern könnte. Seine Beziehung zu Ute war ihr natürlich bekannt, schließlich war diese auch am Seminar und Lotte hatte auch überhaupt nicht vorgehabt, in irgendeiner Form in diese Beziehung einzudringen, da für sie vergebene Männer generell tabu waren. Sie wollte Lars nur locken und schauen, ob er darauf anspringen würde, ohne etwas Verbotenes mit ihm zu tun. Ihr Plan war nämlich, ihn dann vorher abblitzen zu lassen, um ihm zu zeigen, dass er keinesfalls so toll war, wie er sich vorkam.
Also richtete sie sich eine separate Mailadresse ein, damit ihr niemand etwas konnte und griff dabei den Namen der Frau des Marquis de Sade auf, damit er ahnen konnte, wer als Absender in Frage kam und worum es ging. Der Demon war natürlich ebenfalls durchaus bewusst gewählt, sie wollte ihm direkt das Böse signalisieren.
Sie erinnerte sich noch sehr gut an ihre erste Mail, sie hatte sich nach dem Absenden fast in die Hose gemacht vor Nervosität, weil sie zwar nicht auf den Mund gefallen war, aber solche Aktionen auch eher nicht zu ihrem Alltag gehörten.


Betreff: Zusammenarbeit?

Sehr geehrter Herr Professor Doktor Laslandes,

mir ist zu Ohren gekommen, dass Sie an Arbeiten zu den Werken des Marquis de Sade interessiert sein sollen. Das freut mich sehr zu hören, denn sein Werk ist quasi mein Spezialgebiet – ich denke, mein Name dürfte Ihnen ein Begriff sein.

Ich bin mir sicher, wir könnten eine sehr produktive Zusammenarbeit aufbauen in allen Bereichen, die dieses Werk umfasst. Meine speziellen Fähigkeiten könnte ich Ihnen selbstverständlich in einem ersten Exposé in Ihrem Büro vorstellen, falls Sie Interesse daran haben? Dort könnten wir auch besprechen, welche Rolle die Ihre in diesem Projekt sein könnte.

Ich würde mich sehr freuen, wenn wir gemeinsam dem Werk de Sades zu neuem Glanze verhelfen könnten. Lassen Sie mich doch bitte wissen, ob Sie Interesse haben.

Mit freundlichen Grüßen

Anne de Mon


Lars hatte das Spielchen damals sofort durchschaut und war voll darauf eingestiegen. Es hatte Ihr einen Heidenspaß bereitet und sie hätte nie erwartet, wie viel Erotik man in vermeintlich wissenschaftlich klingenden Mails verpacken konnte.
Das Spielchen spielten sie ein paar Tage, dann bemerkte Lotte zu ihrem Entsetzen, dass sie sehr viel Spaß an der Sache gewonnen hatte und sie sich vor allem auch so hochgeschaukelt hatten mit ihren erotischen Mails, dass sie am liebsten doch mit ihm ins Bett gestiegen wäre. Kurz, bevor es dazu kommen sollte, beschloss Lotte, dass sie die Sache beenden musste. Sie konnte nicht mit einem vergebenen Mann ins Bett gehen. Da Lars bisher sowieso nicht mit Sicherheit beweisen konnte, wer sie war, schöpfte sie aus den Vollen und schrieb ihm eine Mail, die sich gewaschen hatte.



Betreff: Finis

Sehr geehrter Herr Professor Doktor Laslandes,

ich danke Ihnen für die zugegebenermaßen unterhaltsame Zeit (ich hätte Ihnen soviel Humor nicht zugetraut), aber wir müssen die Sache hier beenden. Ich werde nicht mit Ihnen schlafen und ich will Sie auch nicht treffen oder weiter mit Ihnen schreiben. Ja, es hat mir irrsinnigen Spaß gemacht, aber eigentlich hat das hier alles nichts mit Spaß zu tun, wie ich ihn mir vorstelle.

Mit Verlaub, Sie sind ein unglaublich mieses Arschloch! Auch wenn Sie dies während unserer Korrespondenz sorgfältig geleugnet haben, so weiß ich doch, dass Sie vergeben sind und ich fange nichts mit vergebenen Männern an. Ich hatte sie eigentlich nur testen wollen, ob Ihnen Ihr Ruf gerechtfertigterweise vorauseilt oder nicht. Das weiß ich nun und mehr will ich gar nicht wissen. Mir tut ihre Freundin unendlich leid und ich wünsche ihr wirklich, dass ihr noch rechtzeitig die Augen geöffnet werden…

Ach ja, und wenn ich schon gerade dabei bin… Ihre Art Seminare abzuhalten ist ebenfalls das Allerletzte. Ich kenne keinen Professor, der Studenten so von oben herab behandelt und sich selbst dabei auch noch so unglaublich toll findet. Und falls Sie das bisher annahmen – lustig sind Sie auch nicht!

Schönes Leben noch!


Lotte hatte nicht erwartet, auf diese Mail überhaupt noch eine Antwort zu erhalten oder jedenfalls keine besonders freundliche. Doch sie hatte eine erhalten und noch dazu eine sehr überraschende.
Sie riss sich zusammen. Es half ihr gerade kein Stück weiter der Vergangenheit nachzuhängen, sie sollte sich besser überlegen, was sie aus den Ereignissen des heutigen Tages machte.

Sie hatte Lars erklärt, dass es so nicht weitergehen konnte und ihm auch von ihren Ängsten bezüglich Ute erzählt, obwohl es ihr unangenehm war. Aber sie kam mit ihrem Gewissen nicht mehr klar und hatte jedes Mal, wenn sie Ute in der Uni begegnete, was ab und an vorkam, auch wenn sie versuchte, ihren Flur möglichst zu Zeiten aufzusuchen zu denen sie nicht anwesend war, hatte sie das Gefühl, Ute wisse etwas oder müsse ihr etwas ansehen. Sie konnte einfach nicht glauben, dass Ute wirklich so naiv sein sollte, das ihr bisher alles entgangen war, zumal Lars in den letzten Monaten immer unvorsichtiger geworden war und ihr durchaus auch von Signalen berichtet hatte, die ein gewisses aufkommendes Misstrauen bei Ute erkennbar werden ließen. Er behauptete zwar immer, er habe alles im Griff und sie habe überhaupt keine Ahnung und sein Unmut, den er ihr gegenüber an den Tag lege, habe auch überhaupt nichts mit seinem Verhältnis zu Lotte zu tun, aber Lotte konnte dies kaum glauben.
Sie hatte auch mit Doro darüber gesprochen und gemeinsam hatten sie plötzlich den Verdacht, dass die vermeintlich naive Ute, gerade auch durch ihr unscheinbares Äußeres, in Wirklichkeit vielleicht doch ziemlich gewieft war und längst alles wusste. Ausgerechnet am nächsten Morgen war Lotte ihr mit dem Hund im Park begegnet und Ute hatte sie so vernichtend angesehen, dass Lotte Panik bekommen hatte, sie wisse längst alles und würde sie fertigmachen. Aber nichts war geschehen.
Trotzdem plagte Lotte ihr Gewissen, sie fand es nach wie vor nicht gut, dass Lars seine Frau so hinterging und sie inzwischen ein Teil dessen geworden war, obwohl sie es nie gewollt hatte. Zwar hatten sie bisher in all den Monaten noch nie miteinander geschlafen, aber das machte die Sache nicht grundsätzlich besser.
Lars hatte schon immer nebenher mit anderen Frauen Sex, auch bei seinen Beziehungen vor Ute und er hatte Lotte ziemlich deutlich erklärt, dass er das auch nicht ändern würde. Seiner Meinung war es kein Betrug, sondern eine Bereicherung für die Beziehung. Er holte sich das, was er brauchte und war dadurch ausgeglichener und zufriedener, wovon auch seine Partnerin profitierte. Dieser sagte er nichts davon und gaukelte ihr mit Hilfe seiner Freunde, die genauso tickten, eine heile Welt vor, es war das perfekt organisierte Verbrechen. Lotte war damals fast vom Glauben abgefallen und es hatte sie einfach nur unglaublich angewidert, aber nachdem sie nächtelang per Mail und auch bei zwei persönlichen Begegnungen darüber diskutiert hatten, hatte sie es tatsächlich irgendwann nachvollziehen und auch Vorteile sehen können, wenn auch nur unter gewissen Bedingungen. Die entscheidende Bedingung war für sie Ehrlichkeit, sie wollte wissen, was ihr Partner trieb und nicht in so einer Scheinwelt leben, wie die arme Ute es tat. Inzwischen war sie tatsächlich mit Lars überein gekommen, dass wenn sie einmal zusammen wären, er seine sexuellen Freiheiten behalten durfte, er aber weiterhin so ehrlich zu ihr war wie bisher und sie im Gegenzug auch anderweitig Spaß haben durfte, wenn sie ihm gegenüber dafür auch ehrlich war. Lars war es sehr schwergefallen, ihr diese Freiheiten auch zuzugestehen, er hatte etwas von männlichen Besitzansprüchen geredet, aber am Ende hatte er es eingesehen. Noch war er sich allerdings nicht sicher gewesen, inwieweit er wirklich über ihre Aktivitäten Bescheid wissen wollte. Aber das war sowieso alles noch Zukunftsmusik. Aktuell war er mit Ute verheiratet und es bestand wenig Hoffnung, dass er das in näherer Zukunft ändern konnte, das hatte er ihr heute noch einmal deutlich gemacht.
Er tat alles, um sich ihr zu entziehen und er hatte Lotte auch gesagt, dass er Utes Anwesenheit bisweilen kaum ertragen  konnte, sie ihn langweile und sie für ihn einfach nur das Heimchen am Herd sei und keine attraktive Frau mehr. Trotzdem konnte er sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht trennen. Sie war labil und er hatte Angst, wie sie es verkraften würde. Außerdem wäre es auch finanziell eine Problem für sie, da sie an der Uni kaum etwas verdiente und finanziell von Lars abhängig war, der neben seinem Gehalt von der Uni durch mehrere Mietshäuser in bester Lage in Paris, die er von seinem Großvater geerbt hatte, eine sichere Einnahmequelle hatte. Hinzu kam die Tatsache, dass er Bedenken hatte bezüglich seines Rufs, schließlich nahm er neben seiner Tätigkeit in Paris auch weiterhin in Köln Prüfungen ab und wollte irgendwann auch wieder komplett an die Kölner Universität zurückkehren, da machte es sich nicht gut, wenn man mit einer Mitarbeiterin des Seminars verheiratet war und diese dann für seine junge Studentin verließ. Er war außerdem gerade in der Auswahlphase für ein bedeutendes Stipendium und da wäre solch eine Affäre ebenfalls nicht vorteilhaft aufgefallen.
Lotte konnte durchaus nachvollziehen, dass er sich gerade nicht trennen konnte, aber trotzdem belastete sie die Situation und das hatte sie ihm heute noch einmal deutlich gemacht. Es machte sie auch traurig, nicht mit ihm schlafen zu können, aber sie hatte damals gesagt, dass sie das nicht auch noch seiner Frau antun wollte, dann hätte sie endgültig nicht mehr in den Spiegel schauen können. Der Sex mit den anderen Frauen war in Lottes Augen zwar auch eine miese Sache, aber dort waren keine Gefühle im Spiel, es war einfach das, was Lars immer betrieben hatte und womit er seiner Beziehung nicht direkt geschadet hätte nach seiner Logik. Deswegen waren sie damals überein gekommen, dass sie erst miteinander schlafen würden, wenn er sich getrennt hätte.
Es machte Lotte wahnsinnig, aber sie wusste, sie durfte nichts daran ändern. Lars hätte sich mit Sicherheit nicht lange bitten lassen, wenn sie es darauf angelegt hätte, aber sie wusste, sie musste diesen Grundsatz behalten und so ging sie diesen Bedürfnissen mit anderen Männern nach. Lars wusste das, sie redeten offen darüber und es machte sie beide nicht glücklich, wie es war, aber es war an ihm, etwas daran zu ändern. Obwohl sie keinen Sex hatten, gab es zwischen ihnen weitaus mehr erotische Spannung, als Lotte es bisher mit anderen Männern je erlebt hatte, von ein oder zwei Ausnahmen abgesehen. Vielleicht machte es auch gerade den besonderen Kick aus, ihn bis auf’s Blut zu reizen und zu wissen, dass es nicht ging. Lotte musste zugeben, dass ihr das besonderen Spaß bereitete, auch wenn es für sie natürlich ebenfalls mit einer gewissen Unbefriedigung einher ging, es nicht zu Ende bringen zu können.

Heute, als sie diese wahnsinnig schönen Stiefel anprobiert hatte, die er ihr geschenkt hatte, hatte sie auch nicht widerstehen können und war zum Anprobieren im Bad verschwunden und nur mit den Stiefeln und ihrer Unterwäsche bekleidet wieder herausgetreten, um ihm sein Geschenk zu präsentieren. Dass es ihm gefiel, war offensichtlich gewesen und als sie sich mit einem Kuss bedankt hatte, war daraus eine wilde Knutscherei geworden und sie waren schließlich auf ihrem Bett gelandet und es wäre wieder fast soweit gewesen. Aber Lotte hatte im letzten Moment die Notbremse gezogen und war abrupt aufgestanden und hatte sich wieder angezogen. Lars hatte sie enttäuscht angesehen, aber Lotte hatte ihm nur schmollend gesagt, er wisse, woran es liege und dann solle er es eben ändern. Lars hatte nur betreten dreingeschaut und sich dann ebenfalls angezogen und verabschiedet, er hätte längst auf dem Weihnachtsmarkt sein müssen, sie hatten völlig die Zeit aus den Augen verloren.

Lotte hatte gesehen, dass er noch einen Fleck von ihrem Lippenstift am Hals hatte, als er die Wohnung verließ, aber sie beschloss zu schweigen. Vielleicht war es ja Schicksal…

2 Kommentare:

  1. Ich lese deine Geschichte jeden Abend vorm Schlafengehen. Da ich sonst keinen Adventskalender habe, ist das mein Dezember-Ritual :)
    Bin schon gespannt, wie es weitergeht!

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    1. Das freut mich sehr! Ich hoffe, du hast weiter soviel Spaß wie ich dabei! :)

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