Dienstag, 18. Dezember 2012

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Dienstag, 18. Dezember

Lottes Zustand bewegte sich seit sie Lars‘ Mail gestern Abend gelesen hatte immer wieder abwechselnd zwischen Traurigkeit, Enttäuschung, Frustration und Aggression. Inzwischen war es fast 24 Stunden her, dass sie die Mail gefunden hatte und sie hatte noch keine Muße gehabt, ihm zu antworten. Sie wusste auch nicht, was sie antworten sollte. Vielleicht war sie naiv gewesen, aber innerlich hatte sie sich so sehr darauf gefreut, dass er Ute endlich alles gesagt hatte und der Weg nun frei wäre für sie. Normalerweise wäre sie bestimmt nicht so naiv gewesen, aber nach Paris hatte sie sich unglaublich berauscht gefühlt und dachte plötzlich, es sei doch alles möglich und ganz schnell.
Wenn es wirklich stimmte, was Lars schrieb und Ute psychisch labil war und es ihm einfach nur darum ging, dass sie sich nicht am Ende etwas antat, konnte sie das natürlich nachvollziehen. Dass kurz vor Weihnachten nicht die schönste Jahreszeit für eine Trennung war, leuchtete ihr ebenfalls ein. Wenn sie nur Gewissheit hätte, dass nach Weihnachten wirklich alles gut würde, wäre es überhaupt kein Problem, da hatte er Recht, die paar Wochen würden sie auch noch überstehen. Aber sie konnte nicht recht daran glauben. Sie hatte das Gefühl gehabt, er war noch nie so sehr bereit gewesen, sich wirklich zu ihr zu bekennen und zu gehen und dann kam plötzlich wieder dieser Rückzieher. Sie hatte einfach Angst, dass er im Januar wieder eine andere Ausrede finden würde oder gar, dass die Weihnachtszeit im Hause Laslandes so besinnlich wurde, dass er es sich völlig anders überlegte. Am Ende wurde Ute über Weihnachten noch schwanger, sie wartete doch auf nichts mehr als ein Baby von ihm zu bekommen. Im Rotweinrausch konnte man die Pille schon mal vergessen, das war bereits ganz anderen passiert.
Frustriert knallte Lotte den Laptop zu. Sie würde einen Teufel tun und ihm jetzt antworten, sollte er doch schmoren. Sie würde gleich auf der Zülpicher Fußball gucken gehen, statt ihre Gedanken an ihn zu verschwenden.

*****

Entnervt rief Lars zum gefühlt hundertsten Mal an diesem Tag seine Mails ab. Aber es war immer noch keine Antwort von Charlotte dabei. Er fragte sich, ob sie wohl sehr enttäuscht war und deswegen nicht antwortete oder am Ende gar Zweifel an seiner Version hatte. Er konnte sie nicht einschätzen, so naiv wie Ute war sie nicht, dafür wusste sie auch zuviel über ihn, aber bisher war er immer ehrlich zu ihr gewesen, warum sollte sie also nun seine Aussagen in Zweifel ziehen. Vielleicht war sie wirklich einfach nur enttäuscht und ließ sich deswegen Zeit. Trotzdem kostete ihn die ausbleibende Antwort Nerven. Eigentlich hatte er sich nach gestern Abend besser gefühlt, zumindest sein schlechtes Gewissen gegenüber Ute hatte er nach einigen Gläsern Wein erfolgreich verdrängt und der weitere Verlauf des Abends hatte seine Stimmung zusätzlich beflügelt. Zwar war Chloé entgegen seiner Hoffnungen nicht aufgetaucht, dafür hatte er aber Shannon kennengelernt und sie ins Hotel begleitet. Sie war eine irische Studentin, die gerade für zwei Tage auf der Durchreise in Paris war, bevor sie weiter nach Bordeaux reiste, um dort ihren Onkel zu besuchen. Ein hübsches Ding mit feuerroten Haaren und stahlblauen Augen. Sie war erst 22 gewesen, schien aber bereits reichlich Erfahrung zu haben. Vielleicht stimmten auch die Gerüchte über Rothaarige, er hatte nicht ausreichend Erfahrung mit ihnen, um sich da festlegen zu wollen. Auf jeden Fall hatten sie eine sehr nette Nacht gehabt und er hatte ihr am Ende vorgeschlagen, sich zu melden, falls sie sich mal Köln ansehen wollte. Sie hatte es versprochen, meinte aber, sie würde wohl erstmal kein Geld für weitere Reisen haben. Lars verdrängte die Erinnerungen an Shannon wieder und beschloss, Charlotte noch eine Mail zu senden, bevor er den Abend wiederum mit Kollegen in der Kneipe ausklingen lassen würde.



Betreff: ?
19:03 18.12.2012

Liebe Charlotte,

den ganzen Tag habe ich auf eine Mail von Dir gewartet, aber sie blieb aus. Ich hoffe, Du bist mir nicht zu böse und Dein Schweigen ist anders erklärbar?!
Charlotte, ich wollte Dir nochmal sagen, wie wichtig Du mir bist und dass bald alles gut wird, hab noch ein klein wenig Geduld, gerade ist einfach der falsche Zeitpunkt. Aber 2013 wird unser Jahr, versprochen!
Bitte melde Dich und sag mir, wie es Dir geht. Ich vermisse Dich, ich hätte Dich heute früh beim Aufwachen so gerne neben mir gehabt.

Fühl Dich geküsst!

Lars

3 Kommentare:

  1. Lange habe ich keine Ruhe zum Lesen gefunden, aber endlich kann ich wieder aufholen.

    Lars ist doch echt das allerletzte. Da glaubt man kaum mehr an ein Happy End. Obwohl, Happy End wäre ja, wenn er sich von ner Brücke stürzt. So ein elender Lügner. Selbst wenn er und Lotte je zusammenkommen, so richtig, basiert die Beziehung auf seiner dummen Lüge. Und die Liebe muss auch auch wirklich überwältigend groß sein, wenn er sie so hinhält und mit jeder Tusse ins Bett steigt... Aaaaargh!

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    1. Tja, das ist in der Tat die Frage, was hier das Happy Ende wäre... man darf gespannt sein, wie es ausgeht... ;-)

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