Donnerstag, 10. Januar 2013

Fräulein Rottenmeier meets Politesse - Mittwoch, 09. Januar 2013

Als Lars an diesem Morgen Charlottes Mail las, war es bereits zu spät gewesen für ihre Ratschläge im Bezug auf Utes Frisur. Natürlich war er gestern nicht darum herumgekommen, mit Ute zu telefonieren und natürlich hatte sie seine Meinung wissen wollen. Sie hatte sogar eine knappe halbe Stunde, nachdem er die Mail erhalten hatte bereits angerufen und wollte, aufgeregt wie ein kleines Kind an Weihnachten, wissen, ob er das Foto bereits gesehen habe und wie sie ihm gefalle. Er hatte ganz kurz mit dem Gedanken gespielt einfach zu behaupten, er habe es noch nicht gesehen, hatte dann aber doch gesagt, er fände es, nach allem, was man vom Foto her sagen könne, sehr apart, allerdings seien die Lichtverhältnisse auf dem Foto nicht besonders, weshalb er mit seinem endgültigen Urteil abwarten wolle, bis sie leibhaftig vor ihm stünde. Er hatte das Gefühl, dass sie dennoch ein wenig enttäuscht war, aber sie hatte sich schnell wieder gefangen. Er hatte ihr noch zweimal versichern müssen, dass er es nicht nur so dahin sage und ihre Frisur wirklich hübsch fände, dann hatte sie sich wieder gefangen. Lars seufzte. Er war sich sicher, dass er es live nicht besser finden würde. Aber vielleicht hatte Charlotte ja einen brauchbaren Tipp...



Betreff: Mon dieu
Von: Anne-P.De-Mon@hotmail.de
An: L.Laslandes@koelnmail.de

04:36 09.01.2013

Guten Morgen Larsi-Hasi,
ich darf doch guten Morgen sagen, um diese Zeit? Immerhin wirst Du die Mail wohl erst nach dem Aufwachen lesen, während ich immer noch wach bin. Tja, so ist das manchmal. Gelegenheit macht Liebe, da kann es schonmal spät werden. Was hast Du denn an diesem schönen Abend getrieben? Und ja, ich meine es wörtlich. ;-)
Ich will Dir von meinem berichten, immerhin hast Du mich quasi dazu inspiriert. Ich war an der Uni und nach dem Seminar war ich noch mit einer Referatsgruppe verabredet um 18:00 Uhr. Ich hatte nur einen Teller Suppe zu Mittag gegessen, weil ich keinen Hunger verspürte und bin dann zur Uni. Aber nach dem Seminar hatte ich dann plötzlich den übelsten Kohldampf, den Du Dir denken kannst. Es ging echt gar nicht, mein Magen hat geknurrt wie wild, so dass ich ich unbedingt noch etwas zu essen brauchte, sonst hätte ich das Treffen mit der Referatsgruppe nicht überstanden. Was machte die arme Lotte also, wo der E-Raum doch schon zu hatte und für die Mensa keine Zeit blieb? Genau, ich bin schnell runter zur Automatenstraße im Hauptgebäude. Leider hatte der blöde Automat was gegen mich, denn er hat trotz Geldeinwurf meinen Schokoriegel nicht freigeben wollen. Der hing vorne fest, wie so oft bei den Mistdingern da unten. Leider hatte ich auch kein Kleingeld mehr zum Nachwerfen und wollte schon frustriert von dannen ziehen, als ein netter junger Herr hinter mir auftauchte, der sich auch gerade etwas ziehen wollte. Ich warnte ihn vor dem Geldschlucker, aber ihn trieb der Hunger und so wartete ich, ob sich mit der Erschütterung durch seinen Marmorkuchen eventuell auch mein Schokoriegel lösen würde. Das tat er leider nicht, aber der nette Junge drosch ein wenig auf den Automaten ein, um mir zu helfen. Auch dies blieb erfolglos und da er auch kein Kleingeld mehr hatte, das man hätte nachwerfen können, bot er mir großherzig die Hälfte von seinem Stück Marmorkuchen an, damit ich nicht verhungern würde. Du siehst, ich war in einer absoluten Notlage und konnte es deswegen nicht ausschlagen. Allerdings machte er zur Bedingung, dass ich dafür mit ihm einen Kaffee trinken müsse, zum Kuchen gehöre schließlich Kaffee. Ich argumentierte, dass keiner von uns Kleingeld für den Kaffeeautomaten hätte und wir einigten uns darauf, dass wir uns nach meinem Referatstreffen stattdessen auf ein Bierchen auf der Zülpicher Straße treffen. Tja, davon bin ich gerade zurück. Es war wirklich ein sehr netter Abend und ich habe es vollkommen ausgekostet, weil ich an Dich gedacht habe und daran, wie Du Dich wahrscheinlich gerade in Paris mit irgendwem vergnügst. :-)
Möglicherweise sollte ich Dir das nicht schreiben, aber ich habe gerade gefühlte 4 Promille und bin deswegen übermütig. Außerdem war es gut, wirklich gut. Aber nicht so gut wie mit Dir...
Insofern kannst Du Dir denken, dass das Mon Dieu aus dem Betreff Utes Frisur galt und nicht meinem Abend. Ernsthaft, hätte ich die Mail vor meinem Date gesehen, wäre an diesem Abend wohl nichts mehr passiert. Das sieht fürchterlich aus. Fräulein Rottenmeier meets Politesse oder sowas. Puh! Du Ärmster! *gnihihi* Vielleicht kannst Du ihr ja sagen, dass Du seit neuestem auf Perrücken im Bett stehst? Oder Du schläfst einfach nur noch mit mir. Ich finde, diese Frisur ist sowieso ein weiterer Trennungsgrund. Also Larsi-Hasi, wann ist es soweit? 2013 ist schon neun Tage alt...
Falls Du doch noch einen konstruktiven Ratschlag von Deinem angesäuselten Lottchen möchtest - mach halbe halbe... Sag ihr, dass die Farbe so gar nicht Deins ist und sie sich die Haare wieder braun oder wie auch immer es Dir beliebt färben lassen soll. Das ist kein größeres Problem und wird sie deswegen mäßig erschüttern. Und bei dem Schnitt an sich musst Du wohl wirklich warten, bis Gras über die Sache gewachsen ist oder sowas...
So, nun wandere ich ins Bett und bitte im Vorraus um Verzeihung für meine angesäuselten Zeilen, bedenke, dass ich nicht ganz nüchtern bin.
Gute Nacht!

Lotte



Großartig! Das hatte Lars noch gefehlt zu seinem Glück. Er hatte sich die perfekte Lösung für Utes Frisur und ein paar nette Worte von Charlotte erhofft und stattdessen bekam er eine völlig überdrehte Charlotte, die sich gestern Abend mit irgendeinem Kerl vergnügt hatte, während er ausgerechnet für sie abstinent geblieben war. Immerhin die Idee Utes Frisur betreffend war bisher die beste Lösung. Vielleicht könnte sie sich die Haare wirklich wieder braun färben und dann würden sie hoffentlich schnell wachsen. Vielleicht könnte er sagen, dass braun eher ihrem Typ entsprechen und natürlicher wirken würde. Das klang gut und damit hatte er nicht einmal gelogen.
Er überlegte, was er Charlotte antworten sollte. Die Vorstellung, dass sie es gestern mit diesem Typen getrieben hatte und das auch noch im Gedanken an seine möglichen Aktivitäten machte ihn rasend. Noch viel mehr ärgerte ihn, dass er sich überhaupt so darüber ärgerte. Sie waren einander keine Rechenschaft schuldig, sie konnte tun, was sie wollte und natürlich berichteten sie sich manchmal davon. Trotzdem fühlte er sich dieses Mal von ihrer Art provoziert. Vielleicht hatte sie den Ton auch nur gewählt, weil sie angetrunken war und es würde ihr jetzt schon leid tun. Dennoch änderte es nichts an der Tatsache, dass es an seiner Ehre kratzte, was sie getan hatte, vorallem auch, wo er es wegen ihr gelassen hatte. Wenn er ihr jetzt etwas Eingeschnapptes zurückschreiben würde, würde er sich lächerlich machen, das ging auch nicht. Er überlegte ihr zu schreiben, dass er gestern Abend bewusst verzichtet habe auf Claudine und zwar wegen ihr, aber irgendwie war ihm auch nicht danach, ihr Ego zu polieren, nachdem sie seines gerade angekratzt hatte.
Er beschloss, dass es die beste Lösung war, sie einfach heute schmoren zu lassen. Vielleicht käme sie sowieso nachher zu Kreuze gekrochen, wenn sie erst einmal ihren Rausch ausgeschlafen hatte. Und wenn nicht, dann sollte sie wenigstens ein bisschen auf Antwort warten und dabei über ihre Taten nachdenken oder darüber, was er an diesem Abend wohl trieb. Er griff zum Hörer und rief Pierre an. Vielleicht ließe sich das ausgefallene Treffen mit ihm und Claudine ja an diesem Abend nachholen...

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen