Sonntag, 6. Januar 2013

Sonntag, 06. Januar 2013

Ute ließ sich auf das Sofa fallen. Lars hatte soeben das Haus verlassen, angeblich zum Bahnhof, aber natürlich wusste sie es besser. Sie hätte schreien können. Am liebsten hätte sie ihn festgehalten, als er gegangen war. Immerhin hatte sie es geschafft, sich nichts anmerken zu lassen und sowohl den gestrigen Abend als auch das Frühstück mit ihm ohne Auffälligkeiten absolviert. Er sollte sich in Sicherheit wähnen und tat dies ganz offensichtlich. Außerdem war es ihr gelungen, die Telefonnummer von dieser Charlotte aus dem Wahlwiederholungsspeicher des Telefons auszulesen und sie hatte sie sich notiert. Man konnte nie wissen, wofür sie sie noch brauchen würde. Jetzt galt es auf jeden Fall die Nerven zu behalten und um Lars zu kämpfen. Sie hatte gestern mit Susanne besprochen, es sei das Beste, wenn sie nun richtig in die Offensive ginge und Lars zeigte, dass sie die perfekte Frau für ihn war. Seine Begeisterung für so ein junges Ding war doch nur hormonell gesteuert. Aber sie musste attraktiver für ihn werden, da gab es keinen Zweifel. Morgen würde sie gemeinsam mit Susanne in die Stadt gehen und sich neue Unterwäsche zulegen und außerdem wollte sie einen Friseurtermin vereinbaren. Sie sah langweilig aus, das würde sie ändern. Nicht, dass diese Charlotte sonderlich viel mit ihren Haaren machen würde, bei Gott nicht, dafür würde es reichen, wenn sie ab sofort die Finger von ihrer Bürste lassen würde. Sie verstand einfach nicht, warum Lars ausgerechnet sie gewählt hatte, aber irgendeinen Grund würde es geben und sie musste ihn herausfinden. Susanne hatte ihr geraten, alle Informationen, die sie über Charlotte Holzheim bekommen könnte zu sammeln und sich dann zu überlegen, was ihn an ihr reizen konnte und genau das hatte sie vor. Lars würde sie von einer ganz neuen Seite kennenlernen. Vielleicht war bei ihnen wirklich einfach schon ein wenig Routine eingekehrt und er suchte Abwechslung, aber die konnte er auch in der Ehe haben, das würde sie ihm zeigen. Und sie würde ihn an sich binden mit einem Kind. Sie hatte Susanne gestern gebeichtet, dass sie die Pille heimlich abgesetzt hatte und auch wenn sie erst wenig überzeugt gewesen war, hatte sie sie am Ende davon überzeugt, dass sie damit an Lars keinen größeren Betrug beging als er an ihr. Susanne war zwar nicht davon überzeugt gewesen, dass sie Lars mit einem Kind wirklich würde an sich binden können, im Gegenteil, aber da war sie sich sicher. Er würde ein verantwortungsvoller Vater sein, ganz bestimmt. Wenn sie schwanger war, würde er die Affäre spätestens beenden, daran hatte sie keinen Zweifel. Schließlich hatte er ihr doch letztens erst gesagt, dass er sowieso in diesem Jahr noch aus Paris zurückkommen wolle und dann würden sie endlich ein Kind bekommen. Dann würde sie den Termin eben ein wenig vorziehen. Sie hatte jedenfalls kein schlechtes Gewissen mehr bezüglich der Pille. Jetzt galt es nur noch so schnell wie möglich schwanger zu werden, damit diese Affäre endlich ein Ende hatte. Und wenn sie ihn bei seiner Rückkehr mit neuer Frisur und neuer Unterwäsche überraschte, würde das ihrem Liebesleben und damit einer möglichen Schwangerschaft mit Sicherheit förderlich sein.
Diese Gedanken machten sie so euphorisch, dass sie fast vergaß, dass sie sich vor wenigen Minuten noch in tiefer Verzweiflung auf das Sofa hatte fallen lassen, weil sie wusste, dass ihr Mann gerade zu einer jungen Studentin gegangen war und mit ihr vermutlich nicht nur ihre Briefmarkensammlung ansah.

*****

Der Wecker klingelte erbarmungslos und Lars wälzte sich aus dem Bett. An Arbeiten war nicht zu denken gewesen, nachdem Charlotte gehen musste. Er war einfach völlig berauscht von ihr und vom Sekt im Bett liegen geblieben und hatte sich den Wecker gestellt, damit er seinen Zug nicht verpassen würde. Es war der Wahnsinn gewesen. Sie hatte ihn in einem hautengen, leicht durchsichtigen weißen Kleid an der Tür empfangen, natürlich tatsächlich wieder ohne Unterwäsche, und er hatte es kaum geschafft, seinen Koffer abzustellen, bevor sie übereinander hergefallen waren. Nach dem Akt hatten sie sich mit einer Flasche Sekt gestärkt, von der Charlotte jedoch nur ein halbes Glas getrunken hatte und er den Rest, da sie noch fahren musste und dann war er schon während sie sich wieder anzog um aufzubrechen fast eingeschlafen. Sie war ziemlich amüsiert gewesen und er fragte sich, ob es einem Mann in ihrem Alter nicht so ergangen wäre. Wurde er wirklich alt? Nein, er beschloss, nach solch einem Akt und dem Alkohol danach wäre es einem Mittzwanziger auch nicht besser ergangen. Charlotte verlangte ihm eben alles ab, im Gegensatz zu Ute. Manchmal hatte er das Gefühl, es war ihr ebenso egal wie ihm, ob sie kam oder nicht. Sie zeigte auch kaum Emotionen, während man Charlotte nur hören brauchte um sich sicher zu sein, wieviel Spaß sie hatte. Vermutlich amüsierten die Nachbarn sich gleich mit, aber das sollte ihm egal sein. Selbst als Stummfilm wäre sie noch hocherotisch gewesen, allein ihr Gesichtsausdruck, so jung und doch so dreckig, so zart und dennoch voller Leidenschaft. Vielleicht hatte ihr Stöhnen und Schreien deswegen auch nichts Billiges an sich, weil sie einfach so wunderschön und leidenschaftlich war dabei. Wie er dieses Mädchen liebte.
Während er im Hinausgehen war, sah er ihre Pinnwand, die mit diversen Fotos übersät war. Eins gefiel ihm besonders gut, darauf war sie irgendwo am Strand zu sehen, zusammen mit Schröder und der Wind wehte durch ihre Haare. Er nahm es ab und steckte es ein. Sie würde sicher nichts dagegen haben. Außerdem hatte er immer noch nicht sein Weihnachtsgeschenk erhalten, dann beschenkte er sich eben selber. Er war gespannt, was er noch bekommen würde. Nach allem, was sie erzählt hatte, musste es ziemlich aufwendig sein...

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