Sonntag, 13. Januar 2013

Twilight: Das Wochenendgrauen - Sonntag, 13. Januar 2013

Sie hätte es zwar kaum für möglich gehalten, aber der gestrige Abend war für Ute tatsächlich noch grauenhafter verlaufen als der Freitag. Als sie bei Susanne war, hatten sie in einer spontanen Rettungsaktion ihre Haare mit einer Tönung aus der Drogerie schwarz getönt, um dieses Rot wenigstens loszuwerden. Allerdings war sie dadurch länger als geplant bei Susanne geblieben, so dass Lars zunächst alleine in den Golfclub gefahren war. Sie war nur eine gute Stunde später gewesen als er und hatte sich eigentlich deutlich besser gefühlt, nachdem Susanne ihr versichert hatte, sie würde mit den schwarzen Haaren um Längen besser aussehen. Lars hatte die anderthalb Stunden Vorsprung offensichtlich auch auf anderthalb Flaschen Vorsprung ausgedehnt, er war bei ihrem Eintreffen schon extrem angeheitert gewesen und als er sie erblickt hatte, war er in schallendes Gelächter ausgebrochen. Als wäre dies nicht bereits Demütigung genug gewesen, grölte er ihr entgegen, nun habe er Jochen und Marcel gerade erzählt, dass gleich eine Politesse käme und sie Ärger bekommen würden, weil sie direkt vor der Tür des Clubheims geparkt hätten und dann hätte sie sich einfach in Edward aus Twilight verwandelt. Alle hatten gegrölt vor Lachen und sie wäre am liebsten sofort wieder hinausgelaufen. Wie konnte er sie so demütigen? Sie war doch überhaupt nur deswegen so blass, weil sie kaum geschlafen hatte nach dem Vorfall am Freitag. Ulla hatte versucht die Situation zu retten und ihr gesagt, sie sehe ganz wundervoll aus mit der neuen Frisur, richtig frech und peppig und sie wisse doch, dass Männer nicht gut im Verteilen von Komplimenten wären. Lars hätte mit Sicherheit nur Angst, dass hinter ihrer neuen Frisur auch ein neuer Mann stecken könnte. Daraufhin hatten alle über Lars gelacht und sie hatte wenigstens nicht mehr das Bedürfnis gehabt, sofort wieder nach Hause zu fahren. Den Rest des Abends hatte sie sich an Ulla gehalten, was sie aber zusätzlich belastete, da es ihre alten Wunden im Bezug auf eine Schwangerschaft wieder aufriss, da Ullas Lieblingsthema, natürlich, ihr Baby war. Gegen 22.30 Uhr hatte sie es nicht mehr ertragen können und war alleine nach Hause gefahren, während Lars sich weiter zwischen seinen Bewunderern sonnte. Sie hätte schreien können. Er hatte sie den ganzen Abend nicht beachtet, wenn man von seiner wunderbaren Begrüßung einmal absah und als sie ging, hatte er nur ein "Jetzt schon? Dann fahr alleine..." für sie übrig gehabt. Sie hatte ihn gefragt, wie er eigentlich heimkommen wolle, mit seinem Alkoholpegel sei er wohl kaum noch fahrtüchtig und er hatte sie angeranzt, Taxis seien bereits erfunden. Zum krönenden Abschluss hatte diese verdammte Franziska dann auch noch geflötet, sie könne ihn mitnehmen, sie würde ihn ihr ganz sicher heimbringen. Der Blick, den beide dabei gewechselt hatten, hatte ihr den Rest gegeben.
Als sie gegen 2 Uhr wach geworden war, war er immer noch nicht da gewesen. Sie hatte ihn auf dem Handy angerufen und er hatte sie nur angefahren, ob sie ihn kontrollieren wolle. Trotzdem hatte sie es nicht lassen können und ihn gebeten, sich ein Taxi zu nehmen und nicht mit Franziska zu fahren, worauf er nur höhnisch gelacht und gesagt hatte, sie würde sich lächerlich verhalten und was sie eigentlich wolle? Ob ihn etwa ein Vampir beißen würde, wenn er sich kein Taxi nehmen würde. Daraufhin hatte sie wortlos aufgelegt.
Gegen vier Uhr war sie wachgeworden, als er neben sie ins Bett gefallen war. Er hatte sich zu ihr gekuschelt, was sie aber nicht erfreuen konnte, da er völlig betrunken war und sie bedrängt. Als sie neben seiner Alkoholfahne auch noch den Geruch eines süßen Parfums, wahrscheinlich Franziskas, an ihm wahrnahm, hatte sie ihm eine Ohrfeige verpasst und war auf die Couch gezogen.

Den Abdruck ihrer Hand hatte man heute früh tatsächlich noch auf seiner Wange sehen können und es hatte ihr unendlich leid getan. Sie hätte nicht so unbeherrscht sein dürfen. Er strafte sie dafür ab, indem er kein Wort mit ihr sprach und sie nur immer wieder mit finsterem Blick musterte. Sie fühlte sich hundeelend und wurde wahnsinnig bei dem Gedanken, dass er gestern Abend mit Franziska geschlafen haben könnte. Allerdings wagte sie auch nicht zu fragen. Sie wusste überhaupt nicht, wie sie mit der Situation umgehen sollte. Dabei hatte dieses Wochenende doch alles soviel besser werden sollen...

*****

Lars kämpfte mit seinem Gewissen, während er die Stunden bis zu seiner Abreise sehnsüchtig herunterzählte. Ute hatte ihm gestern Abend tatsächlich eine Backpfeife verpasst. Das hätte er ihr niemals zugetraut. Leider konnte er nicht leugnen, dass sie verdient gewesen war, aber das konnte Ute nicht wissen. Ja, er hatte sich von Franziska nach Hause fahren lassen und ja, er hatte sich nicht gewehrt, als sie auf einem kleinen Parkplatz am Stadtwald angehalten und ihm an die Wäsche gegangen war. Zwar hatte er nicht mit ihr geschlafen, dazu hatte er sich mit seinem Alkoholpegel auch gar nicht mehr in der Lage gefühlt, aber sie war offensichtlich so dankbar, ihm überhaupt näherkommen zu dürfen, dass sie es ebensosehr genossen hatte wie er, als sie ihm einen geblasen hatte.
Er wusste, dass er sich niemals hätte darauf einlassen dürfen. Sie war viel zu jung und die Sache war unberechenbar, schließlich war sie auch im Golfclub und vorallem hatte Ute schon direkt Lunte gerochen gehabt. Es war nicht unwahrscheinlich, dass die Situation eskalieren und alles auffliegen würde. Ute schien es ohnehin zu ahnen, aber solange sie keine Beweise hatte, würde er einen auf beleidigt machen und kein Wort mit ihr sprechen. Eine Ohrfeige konnte er sich schließlich nicht ungestraft von ihr verpassen lassen. Die Atmosphäre zwischen ihnen war kaum zum Aushalten und in gewisser Weise tat sie ihm auch leid, aber wenn er jetzt nachgeben würde, würde alles auffliegen, deswegen konnte er unmöglich auf sie zugehen. Er musste die zwei Stunden bis zu seiner Abreise so noch irgendwie herumbekommen.
Vielleicht wäre nun auch der richtige Moment, um die Karten auf den Tisch zu legen und mit ihr über alles zu reden, schlimmer konnte es eh kaum werden. Aber bevor er das tat, musste er sich klarwerden, was genau er wirklich für Charlotte empfand und wie das alles weitergehen konnte. Seine starken Gefühle machten ihm absurderweise Angst, auch wenn jeder andere sie wahrscheinlich als Indikator gesehen hätte, sofort zu handeln, ihn schreckte es eher ab. Das Wochenende war aber bisher auch so turbulent verlaufen, dass er keine Ruhe dafür gefunden hatte, sich über Charlotte konkrete Gedanken zu machen, das musste er auf Paris verschieben. 
Sie hatte nicht mehr reagiert auf seine letzte Mail. Natürlich war es genau das, worum er sie gebeten hatte, aber trotzdem hatte er insgeheim gehofft, eine Mail oder SMS von ihr zu erhalten. Er hätte es besser wissen müssen. Sie war keine Frau, die Männern hinterherlief, das hatte sie mit Sicherheit auch gar nicht nötig. Sie würde sich nicht melden und er durfte sie nicht zu lange warten lassen, sonst hatte er sie am Ende wirklich an irgendeinen Studenten verloren. Seine Laune verfinsterte sich weiter bei dieser Vorstellung.

*****

Lotte fragte zum gefühlt 300. Mal an diesem Wochenende ihre Mails ab, aber es war weiterhin keine von Lars dabei. Es machte sie rasend, obwohl sie noch gar nicht lange wartete und realistisch auch noch mit keiner Nachricht zu rechnen gewesen war. Dennoch hatte sie sich insgeheim gewünscht, er würde sich melden und doch noch ein spontanes Treffen vorschlagen. Aber das würde wohl nichts mehr werden, wahrscheinlich fuhr er gleich schon nach Paris.
Sie hatte sogar extra ihre Spaziergänge mit Schröder ausgeweitet in der Hoffnung, ihm mit Hugo im Park zu begegnen, falls er eine Runde übernommen hätte. Dafür war sie sogar das Risiko eingegangen Ute zu begegnen, wovor es ihr sonst immer graute. Aber sie war weder Lars noch Ute begegnet. Frustriert steckte sie sich das letzte Stück der Schokoladentafel in den Mund.

5 Kommentare:

  1. Lars wird immer mehr zum Kotzbrocken. Ute öffentlich so bloß zu stellen, das war mies. Sie erlebt ja echt ein Desaster nach dem anderen... Vielleicht sollte ich sie demnächst mal anrufen und ihr klar machen, dass kein Mann der Welt es wert ist, solche Demütigungen zu ertragen! Sie ist doch eine attraktive, intelligente, freundliche Frau, mitten im Leben. Da lässt sich doch ein Partner finden, der sie liebt und schätzt. Ich wünsche ihr alles Gute :)

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    1. Hach, du bist ja süß. Ich bin mir sicher, Ute wäre gerührt, wenn sie das lesen könnte... ;-)

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  2. Ich finde es auch furchtbar wie Lars sich verhält.
    Anfangs konnte ich ihn ja noch verstehen, auch warum er Ute überhaupt geheiratet hat, warum er sie nachdem er Lotte kennengelernt hat nicht mehr so toll fand, auch seine zahllosen Seitensprünge konnte ich verstehen. Aber jetzt?! Die Aktion im Golfclub war echt das letzte. Und auch die Nummer im Auto war ungewohnt "billig" für ihn.
    Vielleicht redet im das Lottchen ja ein bisschen ins Gewissen. Sie ist ja doch eine gute Seele.

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